Retter an der Oder verzweifelt gesucht

Der Bau der Chipfabrik in Frankfurt scheint immer unsicherer. Bei den Beteiligten liegen die Nerven blank

BERLIN taz ■ Die erneuten Verzögerungen beim Bau der Frankfurter Chipfabrik sorgen bei den Beteiligten für zunehmende Nervosität. Die Finanzierung des mit 1,3 Milliarden Euro veranschlagten Projekts ist noch immer ungeklärt. Das Werk soll im von Arbeitslosigkeit gebeutelten Osten Brandenburgs 1.300 Arbeitsplätze schaffen.

Abbas Ourmazd, Vorstandsvorsitzender der Betreiberfirma Communicant, bezifferte den fehlenden Betrag mit 670 Millionen Euro. Die Summe ist allerdings zu 80 Prozent durch eine Bürgschaft des Bundes gedeckt. Das Bankenkonsortium, das bis Ende des Monats Investoren zur Absicherung des restlichen Betrags auftreiben sollte, ist offenbar nicht fündig geworden. Von Communicant hieß es dazu: „Absolutes Stillschweigen.“

Der seit einem Jahr dauernde Baustopp hatte in den vergangenen Wochen immer wieder für Unruhe gesorgt. Nicht bestätigen wollte der Vorsitzende des zuständigen Wirtschaftsausschusses, Heiko Müller, allerdings eine Meldung der Märkischen Oderzeitung, wonach die Politik bereits Austiegsszenarien probe. „Arbeitsplätze sind für uns das Thema Nummer eins“, sagte Müller, es gebe aber diverse Ungereimtheiten, was „zunehmend Verwirrungen und Misstrauen“ hervorrufe.

In der Fabrik soll eine neue Generation von Chips hergestellt werden, die auf Entwicklungen des Frankfurter Instituts für Halbleiterphysik (IHP) zurückgehen. Ebenfalls beteiligt ist der amerikanische Chiphersteller Intel. Um die Technologie beider Forschungsabtabteilungen zu verschmelzen, wurde die AG Communicant gegründet, an der neben IHP und dem Emirat Dubai auch der Bund mit 38 Millionen Euro Einlage beteiligt ist.

Ein triftiger Grund, dass sich bisher keine Bank zur Finanzierung des Restbetrages gefunden hat, ist offenbar die Tatsache, dass ein mehrfach angekündigter Technologievertrag zwischen IHP und Communicant bisher nicht zustande gekommen ist. „Die Hausaufgaben sind nicht gemacht worden“, äußerte sich Müller verärgert darüber, dass das gesamte Projekt dadurch gefährdet sein. Merkwürdig mutet der säumige Vertrag vor allem deshalb an, weil der jetzige Vorstandsvorsitzende Ourmazd bis vor kurzem als Geschäftsführer des IHP tätig war. Dieser hatte das Ruder bei Communicant ergriffen, nachdem bereits zwei Vorstandschefs das Unternehmen verlassen haben. Pikant daran: Einer davon war vorher persönlicher Referent des ehemaligen brandenburgischen Wirtschaftsministers Firniß. Dieser war im letzten Herbst zurückgetreten, nachdem er einen Millionenkredit eines arabischen Ölscheichs angenommen hatte.

Der für 2004 geplante Produktionsbeginn jedenfalls scheint im Moment in weite Ferne gerückt. Brisant ist das auch deshalb, weil Intel über eine Ausstiegsklausel damit nicht länger an das Projekt gebunden ist. Der Spiegel hatte deshalb Anfang des Jahres schon den „Ausverkauf der Frankfurter Technologie“ befürchtet – denn einige Forschungsergebnisse wurden schon ausgetauscht. Die Hoffnung richtet sich im Moment ins ferne Morgenland: 210 Millionen sind bisher aus Dubai zugesagt. Es ist davon auszugehen, dass man auch dort an pünktlicher Fertigstellung brennend interessiert ist, denn den Scheichs wurde vertraglich der Bau einer zweiten Fabrik in Dubai eineinhalb Jahre nach Aufnahme des Produktionsbetriebes in Frankfurt zugesagt.

Bei aller Hoffnung auf die rettende Hilfe sieht Heiko Müller die Verantwortung im Moment ausschließlich bei Communicant. 380 Millionen Euro EU-Förderung sind zugesagt worden. Das Geld wird laut Müller allerdings erst fließen, wenn die Wirtschaftlichkeit des zukünftigen Hightech-Unternehmens zuverlässig geklärt ist. INA KÖHLER