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: Japanische Reporterscharen folgen HSV-Neuzugang Naohiro Takahara auf Schritt und Tritt

Origami-Falter statt Sushi-Bomber

37 Zeitungsreporter, 16 Fotografen, 4 Fernsehteams, zahlreiche Dolmetscher plus zeitversetzte Live-Übertragungen der HSV-Spiele in Japan – es ist schon toll für die Bundesliga, dass der Hamburger SV den 23-jährigen Naohiro Takahara verpflichtet hat. Bleibt die Frage, was die dokumentierenden Heerscharen eigentlich tagein, tagaus so alles berichten sollen. Zum Beispiel von den ersten 18 Minuten der Partie in Hannover, in denen Takahara nicht einmal den Ball berühren durfte. Ob sie den traumhaften Himmel über Deutschlands unwirtlichstem Stadion beobachtet haben? Oder ihren Landsleuten Hannover vorgestellt?

Anzunehmen ist das nicht, obgleich die Japaner sonst ziemlich über alles berichten. Um das Interesse der Öffentlichkeit zu stillen, findet inzwischen selbst nach Trainingseinheiten eine Pressekonferenz des mit 26 Toren in 27 J-League-Spielen erfolgreichsten Stürmers des vergangenen Jahres statt. Selbst die Presseabteilung des HSV ist sich nicht zu schade, im täglichen Newsletter über Wichtiges wie die Ankunft von „Takas“ Mutter und seine Wohnung mit Fleetblick zu berichten.

Auch die Medien hierzulande wollen dem nicht nachstehen. Immerhin weiß Bild, dass der „Sushi-Bomber“ für sein erstes Bundesligaspiel „den Kopf frisch rasieren ließ“. Der Fakt bleibt richtig, doch das Bild hinkt. Vielmehr bewegt sich Takahara flink und geschickt wie ein Origami-Falter über das Spielfeld, was sich wenigstens einmal beim Doppelpass mit Mahdavikia vor dem 2:2-Ausgleich zeigte.

Die Stimmung im Presseraum nach dem Spiel war gereizt, denn die japanischen Journalisten brauchten dringend Zitate ihres Helden. Da 96-Trainer Ralf Rangnick jedoch ausgiebig über seine schwierige Situation in Hannover Auskunft gab, konnte keine zweite Pressekonferenz auf dem Podium stattfinden. „Ich kann doch nicht den Rangnick wegschicken“, erboste sich HSV-Pressesprecher Gerd Krall, dem bald der Kragen platzte. „Benimm dich mal“, blaffte er einen Kollegen an, schüttelte mit dem Kopf und brummelte: „Bin ich denn nur von Volontären umgeben?“

Der schüchterne und von dem Rummel um seine Person peinlich berührte Takahara wurde derweil von den Journalisten so in eine Ecke gezwängt, dass man sich um seine Luftzufuhr sorgen musste. „Das ist ja schlimmer als mit Luis Figo bei der WM“, schüttelte ein deutscher Kollege den Kopf. Kein Wunder: In Japan wird es schließlich nur wenige Menschen geben, die sich Hannover ohne ihren kickenden Popstar ins Wohnzimmer holen würden. OKE GÖTTLICH