Eine verdrehte Geschichte

Ernst August von Hannover zerrt seinen früheren Anwalt vor Gericht: Der Verteidiger soll ein nicht autorisiertes Geständnis abgegeben haben. Ob der Prozess sein Ziel erfüllt, ist fraglich: Um seinen angeschlagenen Ruf wieder herzustellen, wärmt der Welfen-Fürst lang vergessene Missetaten auf

VON KAI SCHÖNEBERG

Blaublut hat doch Humor: Heinrich Prinz von Hannover setzte einst einen Link auf seiner Homepage zum „Pipi-Prügel-Prinz-Spiel“: In diesem Spiel muss Heinrichs Bruder Ernst August durch eine Grünanlage in Hannover dirigiert werden. Bier trinken, sich an jeder Ecke erleichtern und mit einem Regenschirm zuschlagen, das gibt Punkte. Aber Vorsicht: Paparazzi lauern – erscheinen Fotos in der Zeitung, ist das Spiel vorbei.

Kann der Ruf von Ernst August von Hannover, der bei der Expo 2000 gegen den türkischen Pavillon uriniert oder Berichterstatter auch mal mit dem Regenschirm verfolgt haben soll, eigentlich noch mehr ruiniert werden? Ja, er kann. Zu besichtigen am vergangenen Donnerstag im Raum 4 H 1 des Landgerichts Hannover. Und zwar durch den Prinzen selbst, der die ganze uralte Geschichte um den im Januar 2000 von ihm attackierten Hotelier in Kenia durch seine Schmerzensgeldklage noch mal aufwärmt. Hat der Mann ein PR-Problem?

Der Prinz selbst ist natürlich nicht da. Eine öffentliche Richtigstellung und 500.000 Euro als Wiedergutmachung habe Ernst August zuerst erstreiten wollen, erzählt sein in Hannover beschuldigter Ex-Anwalt Jochen Heidemeier. „Dass ich da in eine gewisse Schockstarre verfalle – wie die CSU – ist doch klar.“ Dass die Summe zunächst auf 250.000 und schließlich kurz vor der Güteverhandlung auf 5.000 Euro reduziert wurde, sorgte im Saal für erste verbale Unwuchten: Weil man „Erkundigungen über die Vermögenslage“ des Beklagten eingezogen habe, sagte der aktuelle Welfen-Verteidiger Hans Wolfgang Euler, sei die Forderung gesenkt worden. Es gehe nur „um die Sache“, der Prinz wolle den Advokaten keineswegs in den Ruin stürzen. „Weil die Klage aussichtslos ist“, begründete dagegen Heidemeiers Verteidiger Josef Fullenkamp die schrumpfende Summe.

Ernst August war im November 2004 vom Landgericht Hannover wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 445.000 Euro verurteilt worden, eine Freiheitsstrafe auf Bewährung vom Amtsgericht Springe war dagegen in der Berufungsverhandlung aufgehoben worden. Der Fall hatte ihm in der Boulevard-Presse den Beinamen „Prügel-Prinz“ eingebracht und den – das gab Anwalt Euler immerhin zu – bereits „angegriffenen“ Ruf des „Privat- und Geschäftsmanns“ Ernst August noch ein Stück weiter in den Schmutz gezogen. Keineswegs aber sei das nicht autorisierte Geständnis von Verteidiger Heidemeier „nicht so tragisch gewesen, weil das Ansehen von Prinz Ernst August von Hannover gar nicht mehr zu beschädigen gewesen sei“, betonte Euler.

Euler befindet sich derzeit auf einem größeren juristischen Feldzug, der das Image seines Mandanten aufhübschen soll: Vor dem Landgericht Hildesheim kämpft er um eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens aus dem Jahr 2004. Ende August war sogar Prinzessin Caroline von Monaco angereist, um vier Stunden lang unter Ausschluss der Öffentlichkeit die Unschuld ihres Gatten zu bezeugen. Drei Zeugen will Euler benennen können, die beweisen würden, dass der Prinz dem Hotelier kein Haar gekrümmt habe. Na ja, bis auf die zwei Ohrfeigen.

Die Erklärung seines einstigen Verteidigers Heidemeier, der Prinz habe stark angetrunken und erregt den Hotelier krankenhausreif geschlagen, vielleicht sogar mit einem Schlagring, sei „weltweit zum Gegenstand der Medienberichterstattung geworden“, sagte Welfen-Anwalt Euler nun und zitierte Passagen aus der Saarbrücker Zeitung. Auch die Berichterstattung der Times vergaß er nicht – schließlich ist Ernst August nicht nur Prinz von Hannover und Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, sondern auch noch königlicher Prinz von Großbritannien und Irland.

„Hinters Licht geführt“ fühle sich sein Mandant, so Euler. Ernst August habe alles schon kurz nach dem Urteil bestritten – und erklärt, er ginge „lieber ins Gefängnis“, als Vorwürfe einzuräumen, die er nicht begangen habe.

„Der Prinz hat doch nachher im Interview gesagt, er geht jetzt nicht mehr saufen“, meinte Ex-Verteidiger Heidemeier ungerührt. Außerdem beharrte er auf der anwaltlichen Vollmacht vom Prinzen. Und: Er habe Ernst August erfolgreich vor einer Freiheitsstrafe bewahrt. Er beruft sich auf eine vertrauliche Absprache mit dem Staatsanwalt, auf einen Deal: Er habe vor Gericht eingeräumt, dass Ernst August „möglicherweise“ in Kenia „nicht nur Milch und Brause getrunken“ habe und das dem Prinzen ein Begleiter „möglicherweise“ einen „Gegenstand“ – den Schlagring – in die Hand gedrückt haben könnte.

Was die Medien daraus gemacht haben, hat Heidemeier wohl schockiert: Seine Hoheit solle „nicht darauf hören, was der Pöbel schreit“, und „die Presse ist eine Hure“, soll er seinem Mandanten damals gesagt haben. Ohne das Geständnis hätten die Ermittler den Prinzen damals mit einem weiteren Vorwurf gezwiebelt, so Heidemeier: „Dann hätte der Staatsanwalt gesagt: ‚Na gut, machen wir eine Verurteilung wegen Salzburg.‘“

Hier soll der Prinz 1999 einer Fotografin ins Gesäß getreten haben – ein noch „unschönerer Vorwurf“, findet Heidemeier. Nach seiner Darstellung wäre das vorherige Urteil – eine Freiheitsstrafe auf Bewährung des Amtsgerichts Springe – im Berufungsverfahren bestehen geblieben, wenn der Prinz „es völlig nüchtern getan hätte“, sagte Heidemeier – „das ist doch noch schlimmer“. Ein bisschen an der Geschichte drehen, um seine Mandanten zu schützen, das, „tue ich in vielen Fällen“.

Das Landgericht Hannover will das Urteil am 27. Oktober verkünden.