System Emig verurteilt

Der frühere HR-Sportchef Jürgen Emig muss wegen Bestechung und Untreue für zwei Jahre und acht Monate ins Gefängnis. Der Sender ist laut Gericht trotz laxer Kontrollen „nicht Täter, sondern Opfer“

Sportveranstalter und Sponsoren sah das Gericht nicht als Geschädigte an

AUS FRANKFURT/MAIN HEIDE PLATEN

Keine joviale Geste, kein telegenes Lächeln – der ehemalige Sportchef des Hessischen Rundfunks (HR), Jürgen Emig (63), blickte am Donnerstagmorgen im Saal I des Frankfurter Landgerichts vorwiegend still auf die Tischplatte der Anklagebank. Die Wirtschaftsstrafkammer verurteilte ihn wegen Bestechung und Untreue zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und acht Monaten. Wegen der zweijährigen Wartezeit auf den Prozess und sechs Wochen Untersuchungshaft könne er allerdings fünf Monate als verbüßten Abschlag betrachten.

Emig, so das Gericht, habe sich zum Schaden des HR mindestens 285.000 Euro „in die eigene Tasche gesteckt“. Er habe als Redakteur eine „Doppelrolle“ gespielt und sei die treibende Kraft in der von seinem Mitangeklagten Harald Frahm geleiteten Tarnfirma SportMarketing & Production GmbH (SMP) gewesen, die für Fernsehproduktionen Geld von Sportveranstaltern und Sponsoren einwarb. Das Geld war nur zu einem Teil an den Sender weitergeleitet, zum anderen zwischen den Angeklagten geteilt worden. Frahm wurde zu einem Jahr und zehn Monaten Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe von 100.000 Euro verurteilt.

In seiner fast zweistündigen Urteilsbegründung sagte der Vorsitzende Richter Christopher Erhard, der HR habe dem Angeklagten die Untreue zwar „leicht gemacht“, dennoch sei der Sendeanstalt nur ein geringer Vorwurf zu machen. Die Schuld liege eindeutig bei Emig, der sich „mit erheblicher krimineller Energie“ bereichert habe. Dies wiege umso schwerer, da er als HR-Redakteur nicht nur einfacher Angestellter, sondern öffentlich-rechtlicher „Amtsträger“ gewesen sei. Dieser Status sei eine Verpflichtung und schütze die Rundfunkfreiheit: „Und das ist auch gut so!“ Denn: „Es kann einfach nicht sein, dass jemand sich kaufen ließe für eine falsche Berichterstattung.“ Jeder Redakteur, „der sich auf der Gegenseite einen Auftrag verschafft, würde sich strafbar machen“.

Die Verteidiger von Emig und Frahm hatten argumentiert, der Sender trage eine erhebliche Mitschuld, weil alle, auch der Intendant, Emig immer wieder ermuntert hätten, Geld für die notorisch unterfinanzierte Sportredaktion zu beschaffen. Dies, so das Gericht, sei nicht bewiesen und spiele auch keine Rolle. Trotz etlicher Fehler, „Versäumnisse von Gericht“ und laxer Kontrollen sei der HR „nicht der Täter, sondern das Opfer“.

Emig habe als Geldbeschaffer „ungeheuer erfolgreich agiert“ und sein Standing im Sender ausgenutzt. Unbestritten sei, dass der HR das Geld „gerne genommen“ habe und Emigs Vorgesetzte Verdachtsmomente und Gerüchte trotz einiger Hinweise nicht konsequent verfolgt haben: „Es bestand schon Anlass zu Misstrauen.“ Aber dass Emig „daran verdient, haben sie nicht gewusst“. Emig habe die Rolle der SMP geschickt zu vertuschen verstanden.

Erhard kritisierte den HR allerdings, weil die Produktionskostenzuschüsse aus Sicht der Wirtschaftskammer auch nichts anderes seien als „direktes Sponsoring“, das „rechtlich nicht richtig abgewickelt“ worden sei. Die Sponsoren hätten im Abspann genannt werden müssen. Dieser „undogmatische Weg“ der Finanzierung stehe nicht im Rundfunkstaatsvertrag, habe sich aber „durchgesetzt“: „Das ist juristisches Neuland, das wir da betreten.“ Sportveranstalter und Sponsoren sah das Gericht nicht als Geschädigte an: „Sie haben bekommen, was sie wollten.“ Dazu gehöre eine „ganze Reihe von Bevorzugungen, die weit über das Erlaubte hinausgingen“. Produkte, Logos und Fahnen seien bei Sportveranstaltungen günstig platziert oder länger als nötig gezeigt worden.

Emig kündigte an, er werde Revision einlegen. HR-Intendant Helmut Reitze nannte das Urteil „angemessen“. Er hatte im Zeugenstand versichert, er habe trotz der schriftlichen Beschwerde eines Veranstalters nichts von Emigs Machenschaften geahnt, aber immerhin eine Kontrolle angeordnet. Der Sender hat seinen früheren Mitarbeiter parallel zum Strafverfahren auf Zahlung eines Schadenersatzes von 1,4 Millionen Euro entgangener Sponsorengelder verklagt.