Vernetzung gegen einen Krieg im Irak

Auf dem Weltsozialforum in Porto Alegre gründen Friedensgruppen ein globales Widerstandsnetzwerk

PORTO ALLEGRE taz ■ Junge argentinische Arbeitslosenaktivisten ziehen mit lautem Getrommel und roten Fahnen über den Campus der Katholischen Universität von Porto Alegre. Palästinensische Delegierte bieten elegante Schals feil. Daneben sind Zeitschriften aus Kolumbien und Souvenirs der brasilianischen Arbeiterpartei PT zu erwerben. Tausende drängen von Workshops zu Megakonferenzen, von Treffen mit alten Bekannten zu den Aufritten prominenter Gäste aus Film und Literatur. „Es ist die organisierte Anarchie“, sagt Tarik Ali und grinst.

Während auf den 1.700 Workshops die ganze thematische Bandbreite der globalisierungskritischen Bewegung abgedeckt wird, dominiert auf den Großveranstaltungen ein Thema: der drohende Krieg der USA gegen Irak. Ali, pakistanischer Schriftsteller und Linksintellektueller mit Wohnsitz in London, ist einer der Hauptredner zu diesem Thema. Seine Analyse der Unterwerfung der islamischen Welt durch die westlichen Mächte, „Fundamentalismus im Kampf um die Weltordnung“, avanciert gerade zu einem neuen Beststeller der Bewegung.

Ali warnt vor Illusionen: Nur eine „neue Intifada“ in der arabischen Welt oder die „Isolierung der USA durch Europa“ könnte den Irakkrieg noch verhindern, und beides sei unwahrscheinlich. Nur bei einem Antikriegsvotum im britischen Unterhaus würde George W. Bush auf seinen wichtigsten Verbündeten Tony Blair verzichten müssen. Doch der habe sich bereits so sehr festgelegt, dass er in diesem Falle wohl zurücktreten müsse.

„Zum ersten Mal in der Geschichte haben wir es mit einem einzigen, unangefochtenen Imperium zu tun“, rief Tarik Ali seinen 10.000 Zuhörern zu. Wenn für die Amerikaner im Nahen Osten alles nach Plan laufe, würden im Anschluss daran andere Regionen „in die Schusslinie“ geraten. Der Bewegung stehe ein „langer Kampf“ bevor. Auch Brasiliens Präsident, Luiz Inácio Lula da Silva, schnitt das Thema bei seinem umjubelten Auftritt am Freitagabend an: Mit dem Geld, das für Waffen ausgegeben wird, könne der Hunger ausgerottet werden, so Lula. Die Welt brauche keinen Krieg, sondern Frieden und Verständigung.

Lula könne in der Friedensfrage „zu einer wichtigen moralischen Instanz“ werden, meint Ali. Letztlich hänge es aber von dem Widerstand in Europa und vor allem in den USA selbst ab, ob der Expansionsdrang Washingtons gebremst werden könne. Ganz in diesem Sinne stellte das „Europäische Antikriegsbündnis“ am Samstag seine Planungen für den „europaweiten Aktionstag“ am 15. Februar zur Diskussion. Dutzende Teilnehmer beteiligten sich mit eigenen Vorschlägen. Manche hoffen auf Streikaktionen der Gewerkschaften, andere plädieren für „zivilen Ungehorsam“. Gleich zwei Delegationen sollen im Februar nach Irak fahren: Die eine wird vom „Europäischen Soziallforum“ gebildet, die andere hat sich auf dem Weltparalamentarierforum formiert. Ein Brasilianer ruft seine Landsleute zu „bunten, fantasievollen“ Aktionen auf.

Peter Wahl von Attac-Deutschland hofft, dass das Engagement von Schaupielern und Sportlern in den USA den Stimmungsumschwung gegen den Krieg beschleunigen könnte. Am späten Abend einigen sich 50 Aktivisten aus allen Kontinenten auf die Gründung eines „globalen Widerstandsnetzwerks gegen den Krieg“ (vorläufige Homepage: www.15februar.de).

Viel mehr als von Erklärungen lebt das Weltsozialforum von der Dynamik derartiger Vernetzungen. So werden nicht nur die Weltregionen stärker miteinander verknüpft, sondern auch Menschen, die zu unterschiedlichen Themen arbeiten. „Immer mehr AktivistInnen wird der Zusammenhang zwischen dem Krieg und der neoliberalen Globalisierung klar“ – mit dieser Einschätzung steht Leo Gabriel vom „Europäischen Sozialforum“ nicht alleine da.

GERHARD DILGER