Die Angst vor den flüchtenden Straftätern

Berufungsgericht lehnt Klage gegen Auslieferung nach Deutschland überraschend schnell ab. Exhausmeister des Mehringhofs bleibt in kanadischer Haft, bis das dortige Verfassungsgericht entscheidet. Dem ausgewanderten Berliner wird Mitgliedschaft in den Revolutionären Zellen vorgeworfen

Überraschend schnell und klar hat ein Berufungsgericht im kanadischen Yellowknife in der vergangenen Woche die Klage von Lothar Ebke gegen seine Auslieferung nach Deutschland in allen Punkten abgelehnt. Die deutsche Bundesanwaltschaft (BAW) beschuldigt den 49-jährigen ehemaligen Berliner und Hausmeister des Mehringhofs einer Mitgliedschaft in den Revolutionären Zellen (RZ) und betreibt seit Mai 2000 seine Auslieferung (taz-Bericht vom 21. 1. 03). Gegen fünf weitere in diesem Zusammenhang Beschuldigte verhandelt seit März 2001 das Berliner Kammergericht.

Der Anwalt von Ebke, John Norris, hatte dem Gericht in einem dreistündigen Vortrag seine Argumente vorgetragen. Insbesondere kritisierte er, dass es in Kanada keinen Straftatbestand der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gebe und deshalb eine Auslieferung nicht möglich sei. Auch verstoße es gegen Ebkes Verfassungsrechte, dass keine inhaltliche Prüfung der Vorwürfe gegen ihn vorgenommen wird. Als Staatsanwalt Wes Smart gerade fünfzehn Minuten seiner auf zwei Stunden angekündigten Gegenrede vorgetragen hatte, unterbrach das Gericht für alle Beteiligten völlig überraschend die Verhandlung und kündigte eine Entscheidung an.

In dieser lehnten die drei Richter einstimmig die Berufung in allen Punkten ab. In ihrer etwa halbstündigen Begründung spielte vor allem die Angst eine Rolle, dass Kanada zum Fluchtland für Straftäter werden könne. Nicht nur Ebkes Anwalt Norris hatte den Eindruck, dass es sich um ein vorgefertigtes Urteil handelte. Normalerweise nimmt sich ein Berufungsgericht in Kanada mindestens drei Monate Zeit, um ein Urteil zu fällen.

Jetzt bleibt Ebke nur noch die Möglichkeit, innerhalb von zwei Monaten Verfassungsklage in Ottawa einzureichen. Dies kündigte er auch sofort an, obwohl eine solche Klage sehr teuer ist. Sollte jedoch das Verfassungsgericht seine Klage ablehnen, ist noch in diesem Jahr mit einer Auslieferung von Ebke nach Deutschland zu rechnen.

Da sich mit dem Urteil auch die Zuständigkeit des Gerichts für Fragen der Haftverschonung ändert, bleibt Ebke vorerst weiterhin in Auslieferungshaft. Vier Wochen nach seiner ersten Festnahme im Mai 2000 war er Haft gegen Kaution und strenge Meldeauflagen auf freien Fuß gesetzt worden. Diese vorübergehende Haftverschonung endete jedoch aus formalen Gründen wenige Tage vor der Neuauflage des Gerichtsverfahrens. Frühestens nach sieben bis zehn Tagen kann ein dann zuständiges Gericht über eine erneute Freilassung auf Kaution verhandeln.

CHRISTOPH VILLINGER