Wolfgang Schäuble war nicht gefährdet

Attentatsversuch konnte dem psychisch kranken Angeklagten nicht nachgewiesen werden. Behandlung angeordnet

STUTTGART afp/ap ■ Das Stuttgarter Landgericht hat gestern einen psychisch kranken Mann von dem Vorwurf freigesprochen, im Sommer letzten Jahres einen Attentatsversuch auf Wolfgang Schäuble unternommen zu haben. Allerdings verurteilte das Gericht den 30-jährigen Michael S. zu fünf Monaten Haft. Zudem solle sich der Verurteilte psychiatrisch behandeln lassen.

Bei einer Wahlkampfveranstaltung auf dem Marktplatz im baden-württembergischen Kirchheim unter Teck, bei der im August letzten Jahres auch Wolfgang Schäuble im Podium saß, war Michael S. von der Polizei überwältigt worden. Während Schäuble den Vorgang nicht bemerkte, filmte ein Kamerateam die Szene. Vorher hatte Michael S. versucht, sich durch eine wartende Menschenmenge Richtung Podium durchzudrängen. In seinem Jackenärmel fand die Polizei eine Geflügelschere. Auf seinem Weg durch die Menschenmenge hatte S. einen der Zuhörer leicht verletzt, weil er eine Absperrbake niedergetreten hatte. Dafür wurde er jetzt verurteilt. Da das Gericht die Untersuchungshaft auf die Strafe anrechnete, verließ S. den Gerichtssaal gestern als freier Mann. Er begab sich umgehend in psychiatrische Behandlung.

Wolfgang Schäuble sei zu keinem Zeitpunkt gefährdet gewesen, begründete der Vorsitzende Richter Wolfgang Pross sein Urteil. Bei den ersten Ermittlungen hätten mehrere Zeugen ausgesagt, S. sei „schnurstracks“ auf das Podium zugelaufen. Die gerichtliche Zeugenvernehmung ergab dann aber, dass der Angeklagte stehen geblieben war, bevor er überwältigt wurde. Der Attentatsverdacht sei wohl deshalb entstanden, weil Wolfgang Schäuble auf dem Podest saß, sagte der Richter. Der CDU-Mann war 1990 durch Schüsse eines Attentäters schwer verletzt worden und sitzt seitdem im Rollstuhl.

Zudem sagte Richter Pross: „Der Angeklagte ist kein Mensch, den man mit normalen Maßstäben beurteilen kann.“ In einem Gutachten waren Michael S. schizophrene Psychosen, Persönlichkeitsstörungen und Drogensucht bescheinigt worden. MAB