Keine Kasse für alle

Sozialbehörde überlegt, eine Kasse nur für Sozialhilfeempfänger einzurichten. Gesundheitsministerium hält das für rechtlich fragwürdig

„Fallkosten sind für Versicherte und Sozialhilfeempfänger gleich hoch.“

von SANDRA WILSDORF

Die Hamburger Sozialbehörde treibt die Frage um, wie sich bei kranken Sozialhilfeempfängern sparen lässt. Eine Idee: Eine eigene Krankenkasse für Sozialhilfeempfänger. „Es ist aber noch unklar, ob das überhaupt möglich wäre“, sagt Behördensprecherin Anika Wichert. Es würden verschiedene Möglichkeiten geprüft, die das Ziel haben, „die Kosten zu reduzieren“.

Denn „dass es da ein Problem gibt, ist schon seit Jahren bekannt“, sagt sie und meint, dass Sozialhilfeempfänger, die nicht krankenversichert sind, bei Ärzten hoch willkommen sind. Sie belasten nicht deren Budget, denn die Stadt erstattet die Kosten direkt, und „das führt dazu, dass sie zum Teil anders behandelt werden“, sagt Wichert. Immer wieder mal heißt es, einige Ärzte würden das ausnutzen und Sozialhilfeempfängern Behandlungen angedeihen lassen, die sie sich bei Kassenpatienten sparen würden.

Eine Behauptung, die Stefan Möllers, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), von sich weist: „Die Fallkosten sind für Versicherte und für Sozialhilfeempfänger gleich hoch.“ Und dabei sei auch nicht entscheidend, ob sie Mitglieder einer gesetzlichen Kasse seien oder nicht. Er sähe deshalb keinen Sinn in einer solchen zusätzlichen Kasse. Auch vom Bundesgesundheitsministerium gab es gestern Gegenwind: Eine Kasse nur für eine Gruppe sei mit dem geltenden Recht nicht vereinbar, sagte eine Sprecherin.

Es geht um 60.000 der 118.000 Hamburger Sozialhilfeempfänger. Wären sie Mitglied einer Kasse, liefen sie über das Budget. Weil das aber eine Bundesangelegenheit ist, „suchen wir nach Möglichkeiten einer Steuerung auf Landesebene“, sagt Wichert und beeilt sich zu versichern, dass dabei „die Versorgung natürlich sichergestellt sein müsste“. In einigen Wochen werde die Behörde konkrete Ideen vorstellen. Möglicherweise werden auch Teilbereiche der Gesundheitsversorgung von Sozialhilfeempfängern an bestehende Krankenkassen vergeben, beispielsweise die Verwaltung der Krankenhilfe.

Die SPD wirft dem Senat unterdessen vor, immer mehr Menschen in die Sozialhilfe zu drängen. Petra Brinkmann, sozialpolitische Sprecherin der Fraktion, macht die „drastischen Einschnitte in der Arbeitsmarktpolitik“ dafür verantwortlich, dass immer mehr Menschen auf Sozialhilfe angewiesen seien. Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) habe zudem mit „Wunschzahlen“ operiert und deshalb zusätzliche Kosten von 34 Millionen Euro in den Jahren 2002 und 2003 verursacht.

Nächste Woche soll die Bürgerschaft erneut zwölf Millionen Euro für zusätzliche Sozialhilfekosten genehmigen. Der Etat 2003 wurde bereits um 22 Millionen aufgestockt. Brinkmann: „Jahrelang hat die CDU getönt, die Sozialhilfezahlen in Hamburg könnten ganz einfach gesenkt werden.“ Jetzt liege mit der Nachforderung für 2002 bereits das zweite Eingeständnis ihres Scheiterns auf dem Tisch.