vorlauf
: Psychoschnaufen

„Der Anwalt und sein Gast“ (20.15 Uhr, ARD)

„Du bist kein Guter mehr“, wird die schöne Staatsanwältin irgendwann am Ende zu Anwalt Weller (Heino Ferch) sagen. Das bedeutet, dass er vorher, am Anfang des Films, gut war: der tadellose Verteidiger mitsamt tadelloser Kleinfamilie. Weller bekommt den Auftrag, einen Bösen zu verteidigen, den vermeintlichen Frauen-Serienmörder Frank Karmann (Götz George). Die Beziehung zwischen den angeblich Guten (Weller, seiner Frau Katja und deren Sohn) und dem angeblich Bösen ist das Thema des Psychothrillers von Thorsten C. Fischer und Jörg von Schlebrügge.

Der Anwalt ist nämlich so dämlich, Karmann, der nach seiner vorläufigen Freilassung mangels Beweisen keine Bleibe findet, in sein gemachtes Nest in bevorzugter Wohnlage mitzunehmen. Dort gefällt es Haarmann, nein Karmann, es gefällt ihm sogar außerordentlich, am besten versteht er sich mit Wellers frustrierter, schöner Frau und deren Sohn. Und so schaut Weller zu, wie sich Karmann langsam in der familiären Keimzelle etabliert, wie er Katja auftaut, dem Jungen Lebensweisheiten mitgibt – kein Wunder, dass der Kessel in Wellers Kopf bald brodelt.

Abgesehen von den üblichen Ärgernissen deutscher Psychothriller-Strukturen wie verwechselbar schönen Frauen und Schöner-Wohnen-Style, versucht eine hektische, Dogma-orientierte Kamera, durch wilde Zooms und Schnitte die dunklen Bilder spannend aneinander zu mischen. Teilweise gelingt das auch, teilweise verschwimmen die Szenen allerdings. Ersaufen im Experiment, dräut die Stimmung allzu bedeutungsschwanger: Man fragt sich die ganze Zeit, wieso, verdammt noch eins, kann Weller seinen Lieben nicht einfach mitteilen, was ihn bedrückt, anstatt es zu der unvermeidlichen Eskalation kommen zu lassen?

Aber Film ist Inszenierung. Und George ist George: Man fühlt sich unvermeidlich an den „Totmacher“ und seine „Puppenjungs“ erinnert, wenn er seinen zwischen falsch und echt angesiedelten Schmiercharme entfaltet und unweigerlich anfängt zu schnaufen, wenn etwas authentisch sein soll. Das mag man, oder man mag es nicht – es gab schon schlimmere Psychothriller. Und auch sehr, sehr viele bessere. JENNI ZYLKA