Der große Magen der Madame von Wolf

Im Moks mutiert das völlig öde Märchen von den drei Schweinchen zu bestem Komplex-Theater

Kaum ein Märchen wurde fürchterlicher adaptiert als das von den drei Schweinchen durch Walt Disney. Sein – auch noch Oscar-geadelter – Schweinchen Schlau-Film über den vernünftigen älteren Bruder, der als einziger rechtzeitig ein Steinhaus zum Schutz vor dem Wolf errichtet, lässt sich mühelos als widerliche Mischung aus Aufrüstungs-Ideologie und Leistungswahn lesen.

Beste Voraussetzungen für das Moks, besser zu sein. Aber: „Frühstück mit Wolf“ nach Gertrud Pigor ist sogar grandios großartig – zwei Hochwertworte braucht’s tatsächlich, um diese Spielzeit-Eröffnung zu würdigen. Schon die Schweinderl als munter dilettierende Hobby-Architekten sind hoch vergnüglich. Muntere Lieder auf den Lippen (Musik: Jan Fritsch) erstellen sie ihre Papp- und Holzkonstrukte, immer wieder dynamisiert durch präzise Ensemble-Einlagen – und sei’s ein Abzählreim als rhytmisierender Riff.

Dann aber erscheint das Untier. Hochhackig. Die mondän-abgewrackte, in jedem Fall sehr hungrige Madame von Wolf heult per Blues den Mond an, eine eindrucksvolle Femme Fatale in langem Pelz, die bei allem lasziven Chic richtig Angst machen kann – und gern in animalisches Wolfsgelächter ausbricht.

Flugs sind Holz und Pappe weggepustet, am Klinker-Bunker des Streber-Schweinchens allerdings strapaziert sie ihre Lungen – Plot ist Plot – vergeblich. Auch der Terminator-mäßig eingesetzte Fön löst lediglich die Alarmanlage aus (Bühnenbild: Silke Lange).

Beim ursprünglichen Märchen ist das moralische Terrain an dieser Stelle ausreichend ausgelotet. Pigor jedoch treibt die Geschichte weiter. Wenn bislang vor allem fasziniert hat, wie schillernd sich die Wolfsfigur gestalten lässt (ein eindrucksvoller Start für Moks-Zugang Lisa Marie Fix), so entwickelt jetzt das Streber-Schweinchen (Julia Bardosch) Komplexität. Es wird, ein bisschen, böse. Da ihm die Unordnung, die die Brüder-WG im einzig verbliebenen Steinhäuschen anrichtet, unerträglich ist, geht es bei Madame von Wolf in die Lehre. Und lernt mit „sei gemein, kleines Schwein“, sich endlich mal gegen die Geschwisterbande zu behaupten. Ein Thema, das Kinder ab fünf, für die Franziska-Theresa Schütz das Stück inszeniert hat, öfter bewegt.

Trotzdem endet das Grande Finale nicht im großen Magen von Madame oder ihres andressierten Hilfswolfs, der rosa Blaumann und kariertes OBI-Hemd längst durch ein felligeres Outfit ersetzt hat. Nein: Madame verfängt sich in einer Art Bosheits-Endlosschleife, die sie problemlos instrumentalisierbar macht. Schwein muss sie nur mit ihrer zwanghaften Renitenz austricksen. Was zu einem Wolf-füttert-Schwein-Frühstück führt.

Sicher: Auch das ist eine Moral. Aber erstens eine komplexere. Und zweitens eine prächtig inszenierte. Henning Bleyl

Termine: 7. - 10. und 27. - 29. 10., jeweils 10.30 Uhr, sowie 11. 10., 16 Uhr