Goldrausch ohne guten Grund

Höchster Preis für das Edelmetall seit sechs Jahren. Europäische Zentralbank hat Gold für 131 Milliarden Euro gebunkert, die keinerlei Zinsen abwerfen – und verkauft trotzdem nur sehr langsam. Bis dahin dürfte der Preis wieder gefallen sein

von HERMANNUS PFEIFFER

Die internationalen Finanzmärkte fiebern im Goldrausch. Erstmals stieg im Januar in New York der Goldpreis auf über 350 Dollar, der höchste Stand seit sechs Jahren. In diesen Tagen pendelt er schon um 370 Dollar für die Feinunze zu 31,1 Gramm. Nach langer Depression ist das edle Metall wieder des Anlegers Liebling und führt auch die Bundesbank in Versuchung.

Auslöser des Goldrausches sind vor allem die Warenterminmärkte, auf denen Investmentfonds, Banken und potente Privatanleger wieder vermehrt in Gold investieren. Getrieben werden sie von der Sorge über die wirtschaftlichen Folgen eines Irakkrieges und die Angst vor einem noch schwächeren US-Dollar. Schließlich dürfte Präsident Bushs Konjunkturprogramm, das einen weiteren Anstieg der US-Auslandsschulden mit sich bringen wird, die globale Leitwährung weiter schwächen. In solch schlechten Zeiten flieht das Kapital dann wieder in die alte Fluchtburg „Gold“.

Der Goldrausch wird jedoch kaum von Dauer sein. Dafür ist erfahrungsgemäß die Rendite des gelben Metalls mittelfristig zu schwach. So erwarten Analysten schon in diesem Jahr wieder ein Absinken des Preises auf 300 Dollar und darunter.

Angesichts des aktuellen Goldhoches könnten allerdings einige Zentralbanken in Versuchung geraten, sich von Barren und Münzen zu trennen. Bereits im Juli 1999 hatte die Bank von England – bis dahin der Inbegriff von goldiger Stabilität – die Welt geschockt und als erste einen Teil ihrer Goldreserven verkauft. Ein Tabubruch. 25 Tonnen wurden zunächst an den Londoner Markt gebracht, später folgten größere Transaktionen. Dieser historische Schritt der Briten löste einen Preisrutsch aus, und der Goldpreis sackte auf rund 250 Dollar pro Feinunze ab – der Tiefststand seit Jahrzehnten. In ihren besten Tagen hatte die Unze noch 850 Dollar gekostet.

Allein die Goldreserven der Bundesbank sollen 3.500 Tonnen wiegen und werden auf über 36 Milliarden Euro bilanziert. Milliarden, die keine Zinsen einspielen. Wiederholt hatte Bundesbankchef Welteke daher laut darüber nachgedacht, die Reserven renditeträchtiger als in Gold anzulegen. Derzeit allerdings klingt es anders. „Wir haben keine unmittelbaren Goldverkäufe am Markt geplant“, versichert ein Sprecher. Und auch die Europäische Zentralbank wiegelt entsprechende Vermutungen ab. Den Wert ihrer Goldreserven beziffert die EZB auf 131 Milliarden Euro.

Aber das Dementi dürfte nur eine beschränkte Halbwertszeit besitzen. Bereits im Jahr 1999 hatten sich 15 europäische Zentralbanken, darunter neben der EZB die deutschen, Schweizer und britischen Währungshüter, darauf verständigt, bis September 2004 immerhin 400 Tonnen pro Jahr zu veräußern. Dies entspricht einem Sechstel der Weltförderung. Mehr würde den Markt ruinieren. Aber ab September 2004 können EZB und Freunde wieder frei über ihre Goldreserven verfügen. Allerdings dürfte dann der Goldrausch längst verflogen sein.