Sachsen plant Auferstehung

Georg Milbradt will die 1968 gesprengte Leipziger Universitätskirche wiederhaben

DRESDEN taz ■ Könnte sein, dass der Rektor der Leipziger Universität in den kommenden Tagen zurücktritt. Damit jedenfalls hat Volker Bigl gedroht, falls das sächsische Regierungskabinett den Wiederaufbau der ehemaligen Universitätskirche beschließen sollte.

Indirekt ist ein solcher Beschluss gestern schon gefallen: Bei den überfälligen Neu- und Umbauten der Universität soll der frühere Kirchenstandort freigehalten werden. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Universität eine Kirche in ihrem Zentrum als Nachteil empfindet“, sagte Wissenschaftsminister Matthias Rößler. Die Staatsregierung entspricht damit Wünschen eines Wiederaufbauvereins, die aber mit den Universitätsplänen und einer Mehrheitsmeinung der Leipziger kollidieren. Der jahrelange Streit eskalierte in den vergangenen Tagen.

Die Sprengung der Leipziger Universitätskirche am 30. Mai 1968 sehen auch PDS-Spitzenpolitiker wie der Bundesvize und Leipziger Professor Peter Porsch längst als „barbarischen Akt“ an. Auf Betreiben des Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht sollte in seiner Heimatstadt „Baufreiheit“ für ein sozialistisches Stadtzentrum mit der dominierenden Karl-Marx-Universität geschaffen werden. Bürgerproteste retteten die 1240 geweihte und seit 1543 zur Universität gehörende Paulinerkirche nicht.

Nach 1990 wurden nicht nur im höfischen Dresden, sondern auch im bürgerlichen Leipzig restaurative Stimmen laut. Der Mangel an konsensfähigen Städtebauplänen verschaffte ihnen Zuspruch. Doch im Gegensatz zum triumphalistischen Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche führte der Leipziger Paulinerverein lange ein Schattendasein. Erst das Engagement des aus Dresden stammenden Biologie-Nobelpreisträgers Günter Blobel und der wachsende Druck der Leipziger CDU änderten zu Beginn des Jahres 2002 die Stimmungslage.

Die Biedenkopf-Regierung und ihr Wissenschaftsminister Hans Joachim Meyer standen noch eindeutig auf der Seite der Universität. Die wollte mit dem Neubau eines „geistigen Zentrums“ architektonisch etwas Neues wagen. Im Mai des vergangenen Jahres verkündete die neue Milbradt-Regierung das Ergebnis eines Realisierungswettbewerbs. Der Entwurf des Büros beht + bondzio aus Münster sieht einen großen Neubau vor, dessen Aula auch das Andenken der zerstörten Universitätskirche bewahren sollte. Deren Wiederaufbau war nicht vorgesehen.

Auf Betreiben von Ministerpräsident Georg Milbradt musste das Wissenschaftsministerium die Pläne erneut überprüfen. Das Ergebnis übt „erheblichen Einigungsdruck“ auf die Universität aus, so Minister Rößler gestern. Einerseits werden ihr Ausgleichsflächen zugesagt, andererseits mit dem Entzug von Hochschulbaufördermitteln gedroht, falls sie nicht mitspielt. Finanziert werden soll ein möglicher Kirchenbau aber durch private Spenden.

Weitere Begehrlichkeiten sind inzwischen erwacht. Vor wenigen Tagen meldete sich ein Verein, der das 1411 errichtete und bereits 1543 von Herzog Moritz abgebrochene Bernhardinerkollegium wiederherstellen will.

MICHAEL BARTSCH