Berlusconi gefällt sich in der Opferrolle

Italiens Ministerpräsident verliert vor dem obersten Gericht. Korruptionsprozess geht in Mailand weiter

ROM taz ■ Eine schwere Niederlage musste Silvio Berlusconi vor dem Kassationsgericht einstecken. Der Prozess gegen Berlusconi, so die Entscheidung des obersten Gerichtshofes, werde in Mailand fortgesetzt. Dort ist der Regierungschef zusammen mit seinem Intimus, dem Rechtsanwalt und Forza-Italia-Abgeordneten Cesare Previti wegen Richterbestechung angeklagt.

Als Politiker, als Herr über das größte Medienimperium des Landes und als Angeklagter hatte Berlusconi zu den Anschuldigungen die immer gleiche Auskunft parat: Die „Roten Roben“ der Mailänder Staatsanwaltschaft wollten mit konstruierten Anklagen die politische Entwicklung Italiens beeinflussen. Da die von dieser Philosophie inspirierten Anträge von der über ihn Gericht sitzenden Kammer regelmäßig verworfen wurden, dehnte Berlusconi seinen Generalverdacht auf die Richter aus. Im Mai 2002 beantragte er erstmals, den Prozess ins benachbarte Brescia zu verlegen, da ein unparteiisches Verfahren in Mailand nicht gewährleistet sei. Berlusconi löste flugs auch das Problem, dass Italiens Strafprozessordnung dafür keine Grundlage bot: Die Verlegung war bis dato nur bei Gefahr für Leib und Leben des Angeklagten oder bei Bedrohung der öffentlichen Sicherheit möglich. Die Berlusconi-Mehrheit im Parlament verabschiedete im November eine Gesetzesänderung. Als weiteres Motiv für eine Verfahrensverlegung gilt seitdem auch der „legitime Verdacht“, dass an einem Gerichtsstand nicht die nötige Unbefangenheit herrsche.

Doch das Kassationsgericht beschied jetzt Berlusconi und Previti, sie hätten keine Belege für die fehlende Korrektheit der Mailänder Justiz beigebracht. Der Prozess gegen beide kann deshalb weitergehen; schon im Sommer ist ein Urteil möglich. Ganz eng wird es für Previti: Er muss sich wegen Richterbestechung noch in einem zweiten Verfahren verantworten, das gerade auf der Zielgeraden ist: Die Staatsanwaltschaft hat bereits für 13 Jahre Haft plädiert.

Berlusconi machte aber in einer gestern vom Staats- wie von seinem Privatfernsehen ausgestrahlten Rede deutlich, dass er den Beschluss des Kassationsgerichts nicht kampflos einstecken will. Er griff einem möglichen Schuldspruch kurzerhand vor, indem er sich als Opfer einer „unglaublichen Verfolgung“ bezeichnete. Aber er werde „alles, wirklich alles“ tun, um das Problem zu lösen – sprich: um endlich die unbotmäßigen Richter und Staatsanwälte in den Griff zu bekommen. MICHAEL BRAUN

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