berliner szenen Alte Nächte

Feiern im Dorian Gray

Das Tolle am Ausgehen ist ja, dass man dabei so gut Alltagssorgen wie verstopfte Abflüsse vergessen kann. Umso schlimmer ist es dann, wenn sich einem unterwegs ganz flugs und fies existenzielle Fragen aufdrängen.

Mit einem Glas Gratis-Moët in der Hand überfiel mich mitten auf der Freitreppe des Dorian Gray die Angst vor dem Alter. Während ich aus der zweiten Etage auf die paar tanzenden Damen unter mir guckte, saß sie mir auf einmal im Nacken. „Wird man irgendwann so alt, dass man glaubt sich zu amüsieren, wenn man auf einer Party wie dieser ist?“, fragte die Angst mich. Man reift ein bisschen, ergattert eine Festanstellung, Anzug anziehen und schon ist man am Potsdamer Platz auf der Opening Party von Deutschlands posher Clublegende. An und für sich nicht so schlimm, die Vorstellung, umso erschreckender aber der Gedanke, dass ich irgendwann glauben könnte, eine Party, bei der auf dem leuchtenden Tanzboden genügend Platz für alle Handtaschen ist, wäre großartig. Und mich gut fühle in einem Club, bei dem man Angst haben muss, wenn jemand mal richtig drauf und drüber ist. Weil er einfach im Rausch übers Geländer in der dritten Etage auf eine Handtaschenbesitzerin fallen könnte.

Um die Angst loszuwerden, stellte ich mich dann direkt neben die Tänzer und nahm eine kritisch-reflexive Distanz ein. Ich sah, dass fast alle Frauen kalifornischen Schönheitsidealen entsprachen. Dabei tanzten sie, als ob sie verstanden hätten, dass nicht nur Transvestiten ihr Geschlecht performativ konstruieren. Am Ende siegten der Wodka Red Bull und die drei Jahre alten Housekracher: Ich merkte, dass man mit so einem knackigen Soundsystem vielleicht doch keine Angst vor dem Alter haben muss. DANIEL BOESE