Leichen nur mit Würde

München verbietet von Hagens’ Plastikleichenschau. Der „Künstler“ klagt – und mietet eine größere Halle

MÜNCHEN taz ■ Das beeindruckte. Der Münchner SPD-Stadtrat Josef Assal brachte den Plastiktorso eines Menschen mit in den großen Sitzungssaal des Rathauses. Er stellte das anatomische Modell direkt dem Bürgermeister vor die Nase – um so zu demonstrieren, dass Aufklärung keinesfalls echter oder plastinierter Leichen bedürfe. Der Aufbau des menschlichen Körpers werde auch durch echtes Plastik anschaulich. Stimmt genau, fanden die Ratsfraktionen von SPD und CSU und stimmten geschlossen für ein Verbot der Ausstellung „Körperwelten“ des Heidelberger Anatomieprofessors Gunther von Hagens. Mehrere Vertreter der Grünen und der FDP stimmten gegen ein Verbot.

Damit folgte die große Mehrheit des Münchner Stadtrates einer Empfehlung des Kreisverwaltungsreferenten Wilfried Blume-Beyerle (SPD), der nach einer rechtlichen Prüfung zum Ergebnis gekommen war, dass die in den Körperwelten in verschiedenen Posen gezeigten Leichen „die Würde der Verstorbenen und das sittliche Empfinden der Allgemeinheit verletzten“. Zudem verstoße die Leichen-Show gegen das bayerische Bestattungsgesetz, das vorschreibt, Tote innerhalb von 96 Stunden zu beerdigen, falls sie nicht zu medizinischen oder wissenschaftlichen Zwecken verwendet werden. Genau das sei bei den „Körperwelten“ aber nicht der Fall. Eine Interpretation, die unter medizinischen und juristischen Fachleuten allerdings nicht unumstritten ist.

Das Heidelberger Ausstellungsbüro der „Körperwelten“ warf den Münchner Stadträten darauf eine „weltweit einmalige Zensur der Präsentation medizinisch-anatomischer Präparate“ vor. Man werde vor dem Verwaltungsgericht gegen das Verbot klagen. Bisher haben sich allein in Deutschland knapp vier Millionen Besucher in mehreren Städten die konservierten Leichen angeschaut. Gunther von Hagen’ will die Ausstellung nun voraussichtlich erst Ende März in München eröffnen – dafür aber an einem größeren Ort als bisher geplant. Statt in einer ehemaligen Reithalle im Stadtteil Schwabing sollen die „Körperwelten“ dann im früheren Radstadion auf dem Olympiagelände gezeigt werden. JÖRG SCHALLENBERG