Keine Entschädigung für Blutgeld ans Reich

Jüdische Gemeinden der Slowakei erhalten keine Zahlungen für Juden, die während des Holocaust ermordet wurden

BERLIN taz ■ Die jüdischen Gemeinden der Slowakei können mit keiner Entschädigung der Bundesrepublik wegen Verbrechen des Deutsches Reiches rechnen. In einem Berufungsverfahren verneinte gestern das Kammergericht Berlin entsprechende Ansprüche des Zentralverbandes Jüdischer Gemeinden in der Slowakei. Hauptargument des Gerichts: Der Zentralverband könne nicht als Rechtsnachfolger der Juden gelten, die während des Holocaust ermordet wurden.

Die Forderungen des Zentralverbandes beruhen auf einem perversen Geschäft, das der damalige slowakische Vasallenstaat des Nazireiches mit dem Deutschen Reich abgeschlossen hatte: Für jeden Juden, der in Vernichtungslager deportiert wurde, zahlte das slowakische Regime dem NS-Staat 500 Reichsmark. Schlimmer noch, brachten die slowakischen Behörden diese „Deportationsgebühr“ durch die Beschlagnahme des Besitzes der knapp 60.000 verschleppten Juden auf.

Nachdem die Bundesregierung als Rechtsnachfolgerin des Nazireichs zu keinen Verhandlungen über eine Rückzahlung des Blutgeldes bereit war, klagte der Zentralverband der Jüdischen Gemeinde der Slowakei im August 2000 gegen die Bundesrepublik. Es geht um viel Geld. Der Anwalt Rainer Arzinger berechnet die Ansprüche des Zentralverbandes auf rund 78 Millionen Euro. Das zuständige Landgericht Berlin wies die Klage des Verbandes Ende März 2001 zurück. Gestern, am 70. Jahrestag der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler, wurde die Berufung mündlich verhandelt.

Dabei folgte das Kammergericht im Wesentlichen der Argumentation der Vorinstanz: Der Verband stehe nicht in Rechtsnachfolge der ermordeten Juden der Slowakei. „Einen Kollektivanspruch kennt das deutsche Recht nicht“, so das Gericht. Zusätzlich erkannte es keinen „Durchgriffsanspruch“ des Zentralverbandes an: Die Bundesrepublik könne nicht als Letzte in einer Reihe dafür geltend gemacht werden, nachdem der slowakische Vasallenstaat und die damalige Zwangsorganisation „Judenzentrale“ untergegangen seien.

Arzinger kündigte gestern an, den Rechtsweg weiter zu beschreiten: zuerst vor dem Bundesgerichtshof, wenn nötig bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Allerdings sei der Zentralverband auch zu einem Vergleich bereit. PHILIPP GESSLER