Genfer Übergriffe

Eurovisionszentrale will polnisch-deutsche Band Troje aus deutscher Grand-Prix-Vorauswahl werfen – weil sie schon in Polen gewann

von JAN FEDDERSEN

Für diesen Fall der Fälle gab es keine Bestimmung im etwa tausend Punkte umfassenden Regelwerk der Eurovision: dass eine Band, deren Mitglieder in zwei verschiedenen Staaten aufgewachsen sind, im gleichen Jahr in zwei Ländern in einer nationalen Vorentscheidung um die Fahrkarte zum Grand Prix Eurovision singen.

Die deutsch-polnische Formation Ich Troje (das ist polnisch und heißt „Die drei“) bewirbt sich nun in zwei Ländern um ein Ticket für den Event am 24. Mai in Riga – in Polen und Deutschland. Die Idee, so der hoch dekorierte (Platin für zwei CDs, „Goldener Otto“ von der polnischen Bravo) Sänger Michael Wisnewski, sei einfach: „In Polen sind wir berühmt, und in Deutschland wollen wir es werden.“

In Polen hat das Trio mit der aus Berlin stammenden Sängerin Elli vor einer Woche die Vorentscheidung gewonnen. Mit dem Titel „Zadnych granic“ („Keine Grenzen“) siegten sie in Warschau haushoch. Nun stünde ihnen noch der Auftritt am 7. März in Kiel bevor. Gewännen sie, wäre das ein Novum in der Eurovisionsgeschichte: eine Band mit zwei Liedern für zwei Länder. Doch überraschend legt sich die Eurovisionszentrale in Genf quer: Das dürfe nicht toleriert werden, hieß es, weil es das noch nie gegeben habe – und man vorbeugen wolle. Würde man dies zulassen, könnten sich demnächst auch Zypern und Griechenland auf einen Act einigen, um sich gegenseitig Punkte zuzuschieben.

Davon abgesehen, dass sich die beiden meditarrenen Länder schon immer das Gros ihrer Punkte zugeschanzt haben und es trotzdem für keines der beiden Länder je für einen ersehnten Sieg langte, wäre eine Disqualifikation von Troje (wie die Band in Deutschland heißt) ohne rechtliche Grundlage. Obendrein verwahrt sich der NDR gegen Einmischung in das Konzept seiner Show. Troje, heißt es, werde in Polen verdächtigt, deutsche Interessen zu vertreten – und in Deutschland werde den Polen nachgesagt, nichts als Autoschieber zu sein. Insofern diene die Teilnahme von Troje an der deutschen Konkurrenz in Kiel der Versöhnung – die angesichts des nahenden EU-Beitritts Polens ohnehin überfällig sei.

Wie die Eurovisionszentrale in Genf entscheidet – und ob sie es gegen den NDR (der die ARD repräsentiert) tut –, war bis Redaktionsschluss offen. Vielleicht täte den Genfer Funktionären ein Blick in die Geschichtsbücher des Events gut: Als 1963 die Griechin Nana Mouskouri für Luxemburg an den Start ging, war dies okay; als Ralph Siegel 1980 gleich für zwei Länder als Komponist verantwortlich zeichnete (Luxemburg und Deutschland), regte das auch niemanden auf.

Vielleicht lohnt die Aufregung aus anderem Grund nicht: Troje gelten in den Vorhersagen für den 7. März als krasse Außenseiter. Was nicht daran liegen wird, dass sie zu zwei Dritteln Polen sind: Ihr Lied „Liebe macht Spaß“ ist ein eher zähes Stückchen Popmusik.