grenzenlos kochen: die cross-over-küche wird zur dauerplage
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Die Zwiebelsuppe ist ein wenig misslungen. Kein Problem, wir schütten ein Schüsschen Kokosnussmilch rein – fertig ist die französische Zwiebelsuppe mit thailändischem Esprit. Kreativ und weltoffen. „Cross-over-Küche“ heißt der Trend, bei dem alles „über Kreuz“ gekocht wird.

Die Möglichkeiten sind global und grenzenlos: Couscous mit Sauerkirschen, Sushi mit Sherrydressing, Spagetti mit Zitronengras und Sojasauce, Kartoffelsuppe mit Rosinen und Chili – alles ist erlaubt.

„Hemmungslos kochen“ oder „Einfach und genial kochen“ heißen die Kochbücher, die den globalen Mix feiern. Es sind vor allem junge Köche, die kombinieren, was ihnen zwischen die Finger kommt. Ihr großer Held ist der Brite Jamie Oliver. Er ist auf der Insel ein Star mit eigener Fernsehkochshow.

Wenn der 26-Jährige im T-Shirt japanische und italienische Speisen cool kombiniert, schalten sechs Millionen Briten ein. „Schluss mit kompliziertem Insiderwissen, teuren Zutaten und Chefkochritualen. Kochen muss einfach sein“, heißt es in Olivers Bestseller „Genial kochen“.

Nur: Es gibt geniale Gerichte, die eben nicht einfach sein können. Weil ihr Charakter schwergewichtig und aufwändig ist. Cassoulet etwa, dieses uralte Gericht aus den Pyrenäen und dem Corbière. Es duftet nach Thymian, Knoblauch und Anis.

Seinen Ursprung hat es in der Antike. Gott, sagen sie im Südwesten Frankreichs, hat an einem besonders schönen Tag den Menschen diesen himmlischen Eintopf aus weißen Bohnen und Fleisch geschenkt. Der Reiz des Cassoulet ist, dass es nicht global schmeckt, sondern typisch regional – und es auch soll.

Oder Polenta. Die ist genial und einfach, ohne Cross-over-Schnickschnack. Eine echte Polenta stur nach Originalrezept zu kochen beruhigt. Es ist eine Verbeugung vor diesem spröden Gericht. Polenta holt ein Stück Norditalien in die Küche. Traditionsbewussten Bauern ist es zu danken, dass der Maisbrei bis heute nach den alten Regeln der Kunst bereitet wird. Wer da Zitronengras, Garnelen oder Mangostücke reinwirft, ist selber schuld.

Im Kochtopf zusammenzuwerfen, was nicht zusammengehört, ist weder genial noch kreativ. Eher eine Beliebigkeit, die Fantasie vorgaukelt und Dürftigkeit verbirgt. Wer je eine perfekte Zwiebelsuppe schlürfen durfte, weiß, wie genial einfach sie ist. Ein Seelenstreichler, der von den sanften Aromen lebt, die das geduldige Dünsten der Zwiebel ihm schenkt. Sie braucht weder Kokosmilch noch Shrimps. Wer sie overcrosst, hat von ihrem Wesen nichts verstanden.

TILL DAVID EHRLICH