Ekel vor dem Wort

Der Krieg produziert wieder einmal widerliche Begriffe

Es gibt Worte, die bleiben einem im Halse stecken. Andere gehen einem am Arsch vorbei. Mal sind Worte sympathisch, mal eklig, langweilig oder lustig. Wir sind empört, wenn ihnen Unrecht getan wird, oder freuen uns, ihren Wohlklang wiederzuhören.

Nun ist ein Wort aufgetaucht, das alles übertrifft an seelischer Qual, was jemals ein Wort ausgelöst hat. Ein Wort, das gleichermaßen Wut, Resignation, Ekel, Brechreiz, Aggression, Verzweiflung und Mordlust hervorruft, je öfter es auftaucht. Es sei hier nur einmal erwähnt, dann taucht es nur noch als „Daswort“ auf: „Waffengang“. Würrgg …

Zuerst sagte ein Politiker „Daswort“, weil er nicht Krieg sagen wollte. Das war schon widerlich, ging aber nicht über das übliche Maß an Ekel hinaus, das die Phrasen dieser Spezies gewöhnlich hervorrufen. Dann jedoch übernahmen es sämtliche Fernseh-Schleimbeutel und Leitartikel-Schmierer.

„Daswort“ klingt nach Hauptwaschgang, es riecht nach dem billigen Weichspüler von Edeka, es schmeckt wie verdorbene Kalbsleberwurst und wirkt wie alles zusammen nach einer durchzechten Nacht und dem Genuss von Lambrusco, Ananasbowle, Valium, Opium, Philadelphiatorte und Schweinskopfsülze. Der Schmerz über „Daswort“ wird noch gesteigert durch das Wissen über die Dummheit seiner Benutzer, die sich in grotesker Selbstverkennung für verantwortungsbewusst und klug halten. Dabei sind sie dümmer als jeder Analphabet. Der sagt Krieg, basta.

Oder kann sich irgendjemand folgende Unterhaltung zweier Prachtexemplare des Subproletariats beim Frühstück am Kiosk mit Bier, Korn und Nierenschaschlik vorstellen: „Der Ami macht jetzt ‚Daswort‘.“ Noch der vom Segen der Bildung gänzlich unerreichte Mensch besitzt genug Anstand, die Dinge beim Namen zu nennen. Dem modernen Journalisten aber ist wie dem Politiker dieser Anstand fremd. Während der Politiker aber aus Kalkül handelt, was allenfalls Ärger und Wut hervorruft, handelt der Journalist aus Dummheit und kriecht in des Politikers Schleimspur. Das ist über alle Maßen widerlich.

So widerlich, dass ich meinen Anwalt eingeschaltet habe. Der hat mich zum Arzt geschickt. Dessen Gutachten bestätigt, dass „Daswort“ bei mir ärgste seelische und körperliche Qualen hervorruft und dass psychische Spätschäden wahrscheinlich sind. Die Anzeige wegen sprachlicher Grausamkeit ist unterwegs, zusammen mit der Unterlassungsklage und der Forderung nach Schmerzensgeld, und zwar gegen zurzeit 82 Journalisten. Die Zahl steigt nahezu stündlich. JOACHIM FRISCH