Ihr Kindlein, kommet

Junges ZDF (II): Ab sofort soll „Bravo TV“ die Kids zum Zweiten locken. Denn im Kampf gegen die Vergreisung ist alles erlaubt (Sa.,15.30 Uhr)

Bleibt die Frage,wem mit der LiaisonBauer–ZDF wenigergeholfen ist

von WOLFGANG HERTEL

Das Bravo-TV-Studio im Münchner Nobelvorort Pullach wird schärfer bewacht als der BND, der nur wenige Straße weiter residiert. Sechs breitschultrige Securitymänner sichern den Eingang, damit auch ja keine ungebetenen Gäste hereinschneien. Sondern nur die geladene Journalistenschar, die sich vorab ein Bild vom neuen Konzept des Fernsehablegers der Pickelpostille machen darf. Zehn Jahre lang lief „Bravo TV“, erstellt von der Hamburger Produktionsfirma MME, bei RTL II, jetzt wechselt die Sendung zum ZDF.

Die Produktion übertrug der Bauer Verlag, der seit 37 Jahren die Bravo herausgibt, der Münchner „Entertainment Factory“ von Oliver Mielke. Der erfand einst die „Bullyparade“ und machte zuletzt von sich reden, als er die Talkshow „Blondes Gift“ mit Barbara Schöneberger, die bei mittlerweile insolventen Großstadtsendern ein freudloses Dasein fristete, leidlich aufpoliert ans ZDF vertickte (Sendestart ist zufällig auch heute, siehe Interview).

Das Team von Mielke hat sich auch für „Bravo TV“ ein bahnbrechendes Konzept ausgedacht. Die sattsam bekannten Magazinbeiträge über Stars, Sternchen und Sex werden ab sofort in eine Soap eingebettet. In der Bravo selbst heißt so was dann zielgruppengerecht ein „total innovatives Y2K3-Format“. Die Hauptdarsteller sind „Isabelle“ alias Annett Fleischer, die es laut Presseinfo immerhin schon zu „verschiedenen Komparsenrollen“ gebracht hat, „Simon“ alias Kilian Reischl, der auf eine schillernde Karriere als Gitarrist in der Band des Kinderstars Gil Ofarim zurückblickt, und „Mia“ alias Silvana Bayer, die sich bereits in der Sat.1-Serie „Die rote Meile“ räkeln durfte, bevor sie sich für den Playboy auszog.

Diese fröhliche Dreier-WG bekommt ab und zu Besuch von „A. D.“ alias Vanida Karun, die im wahren Leben zuletzt bei den Karl-May-Festspielen in Bad Segeberg die Paloma Nakana gab. Sie spielt originellerweise eine Moderatorin, die den Bewohnern vorab ihre Beiträge zeigt und – so ist zumindest der Plan – ab und an echte Stars in die falsche Wohngemeinschaft schleppt. Zum „Housewarming“ der neuen „Bravo TV“-WG waren auch gleich mal die Boyband Busted („What I Go To School For“) und Bro’Sis angerückt – und weckten bei den anwesenden Fotografen prompt mehr Interesse als die eigentlichen Hauptakteure.

Auch die ZDF-Strippenzieher hielten sich bedächtig im Hintergrund. Unterhaltungschef Manfred Teubner beließ es bei der tief schürfenden Aussage, dass das mit der Kooperation von Bravo und ZDF schon „ernst gemeint“ sei. Man darf es ihm glauben, denn um den Altersdurchschnitt der ZDF-Zuschauer– derzeit mit 58 Jahren nur unwesentlich älter als die Bravo (47) selbst – zu senken, dürfte so ziemlich jedes Mittel recht sein.

Ob aber eine Stunde „Bravo TV“ am Samstagnachmittag ausreicht, das angeschlagene Image des greisen Senders aufzupolieren, ist zumindest fraglich. Schließlich wollte die anvisierte Zielgruppe zuletzt nicht einmal mehr bei RTL II im erhofften Maße zuschauen.

Dabei hätte auch die Bravo selbst tatkräftige Unterstützung bitter nötig. Chefredakteur Uli Weissbrod jedenfalls sieht sich mit einem dramatischen Auflageneinbruch konfrontiert: Im vierten Quartal 2002 kam die Bravo durchschnittlich nur noch auf 693.000 verkaufte Exemplare. Damit liegt sie zwar immer noch deutlich vor dem Nachahmerprodukt Yam! aus dem Axel-Springer-Verlag (verkaufte Auflage: 315.000 Heftchen). Doch angesichts der 1,2 Millionen Bravos, die anno 1998 abgesetzt wurden, darf man schon von einem mittleren Desaster sprechen.

Bleibt also die Frage, wem mit der Liaison zwischen Bauer-Verlag und ZDF weniger geholfen ist; und den Verantwortlichen die vage Hoffnung, dass ein paar Kids vielleicht merken, dass man mit dem Zweiten nicht nur Rosamunde-Pilcher-Verfilmungen und das „Forsthaus Falkenau“ besser sieht, sondern auch Avril Lavigne und B3.

Inwieweit sie sich auch noch mit dem Interieur der Bravo-Butze identifizieren können, sei dahingestellt. Denn der 300 Quadratmeter große ehemalige bayerische Getreidespeicher kommt im befremdlich stringent durchgehaltenen Siebzigerjahrelook daher.

So ahnt man insgeheim schon ein wenig, dass wahrscheinlich wieder nur die Elterngeneration einschaltet. Manfred Teubner jedenfalls ruderte schon mal prophylaktisch zurück: „Ich hoffe, unsere Protagonisten treffen die Herzen und Befindlichkeiten der jungen Zuschauer – und auch die Eltern und Erwachsenen lassen sich vielleicht lange nach ihren eigenen Bravo-Zeiten auf diesem Wege noch einmal auf diese Welt ein.“ Für Letztere hängt deshalb ein echter Hingucker über dem Sofa in der „Bravo TV“-WG: ein riesiger Jimi Hendrix in Öl.