Schwanger auf der Betriebstoilette

Toleriert Niedersachsens CDU-Frauenministerin diskriminierende Schwangerschaftstests bei der Einstellung in einer Wurstfabrik? Die Opposition hält Ressortchefin Ross-Luttmann für naiv, sie selbst spricht von Unterstellungen

Dann redet sich Mechthild Ross-Luttmann doch noch in Rage: „Sie können sich doch hier nicht hinstellen und sagen, ich soll mit betroffenen Frauen reden, wenn Ihnen selber keine betroffene Frau bekannt ist“, ruft die sonst eher bedächtige niedersächsische CDU-Sozialministerin an diesem Mittwoch erregt Richtung Opposition.

Zuvor hatte Ulla Groskurt (SPD) der auch für Frauen zuständigen Ressortchefin im Landtag vorgeworfen, Ross-Luttmann habe „kein Interesse“ daran, Diskriminierungsvorwürfe gegen eine Wurstfabrik im Landkreis Osnabrück aufzuklären. Ja offenbar toleriere sie sogar, dass eine Betriebsärztin jobsuchende Frauen zum Schwangerschaftstest gebeten habe, nach Entbindung von der Schweigepflicht. Mindestens vier Bewerberinnen sollen sogar abgetrieben haben, um eine Stelle zu bekommen. So äußern sich Schwangerschaftsberatungsstellen.

Bewerbungsverfahren, die Frauen unter Druck setzten, „dulde ich nicht“, sagte Ross-Luttmann. Das Gewerbeaufsichtsamt sei zwar zum Schluss gekommen, dass sich in der Betriebstoilette der Wurstfabrik sechs Frauen den Tests unterzogen hätten, jedoch freiwillig. Und: Das Ergebnis habe keine Auswirkungen auf die Einstellung gehabt, inzwischen gebe es keine Tests mehr. Dabei habe es sich um „medizinisch-präventive“ Fürsorgemaßnahmen gehandelt, betonte Ross-Luttmann: Viele Angestellte der Firma arbeiteten in Kühlhäusern. An den Angaben des Amtes zweifele sie nicht. Lieber ärgerte sich die Frauenministerin „über die Unterstellungen“ von SPD, Grünen und Linken, die versuchten, „eine Firma an den Pranger zu stellen“.

Das war der Gegenseite zu wenig: „Sind Sie wirklich so naiv, ohne Anhörung der Betroffenen zu glauben, dass die Tests rein fürsorglich und medizinisch motiviert waren?“, fragte die Chefin der Linksfraktion, Kreszentia Flauger. Uwe Schwarz (SPD) erregte sich darüber, dass die Ministerin Betroffene aufgefordert hatte, sich bei der Gewerbeaufsicht, die ja nichts gegen das Testen habe, zu melden.

Inzwischen, so die Ministerin nach der Debatte, ist das Amt jedoch an die Schwangerschaftsberatungsstellen herangetreten, um mehr über die Frauen zu erfahren, die angeblich von der Wurstfabrik genötigt worden sind. Dabei solle die Anonymität der Betroffenen erhalten bleiben. Was passiert, wenn sich die Vermutungen erhärten, wollte Ross-Luttmann nicht sagen. KAI SCHÖNEBERG