Regierung steht zu Überflugrechten

Im Irak-Konflikt widerspricht das Kanzleramt einem Gutachten des Bundestags. Die Grünen streiten heftig über die Frage der Überflugrechte bei völkerrechtswidrigen US-Angriffen. Christian Ströbele: Eine zweite UN-Resolution ist notwendig

von CHRISTIAN RATH
und MATTHIAS BRAUN

Die Bundesregierung hat den USA für den Fall eines Irakkriegs bereits verbindlich Überflugrechte eingeräumt hat und denkt auch nicht, diese zurückzuziehen. Dies betonte gestern der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg. Diese beim Nato-Gipfel Mitte November zugesagten Rechte sind auch nicht an ein weiteres Mandat des UN-Sicherheitsrats gebunden, hieß es dazu ergänzend im Bundespresseamt.

Bereits am 27. November hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder der Presse mitgeteilt, dass die Bundesregierung in vier Punkten der US-Bitte um Unterstützung entsprechen werde: Gewährung von Überflugrechten, reibungsloser Transit für Truppen der USA und der Nato-Mitglieder; Nutzung der US-Militäreinrichtungen in Deutschland durch die USA und die Mitglieder; Schutz von US-Einrichtungen.

So weit die Bundesregierung Zusagen machte, seien diese jedenfalls nicht an eine weitere Resolution des UN-Sicherheitsrats gebunden, hieß es gestern in Berlin. Kanzler Schröder halte es zwar für „vernünftig“ vor einem Angriff auf den Irak eine neue Resolution zu beschließen, sollte der Irak jedoch seine Verpflichtungen verletzen, könne auch die Resolution 1441 ausreichen. Lange Zeit hatte die Regierung solche „Spekulationen“ abgelehnt.

Damit hat sich die Regierung faktisch der amerikanischen Sichtweise der im November beschlossenen Resolution 1441 angeschlossen. Frankreich, Russland und China hatten jedoch im Anschluss an die Sitzung des Sicherheitsrats erklärt, dass diese Resolution „jeden automatischen Einsatz von Gewalt“ ausschließe. Die große Mehrzahl deutscher Völkerrechtler leitet daraus ab, dass noch keine UN-Ermächtigung für einen US-Angriff auf den Irak besteht und ein einseitiges Vorgehen der Amerikaner daher völkerrechtswidrig wäre. Hiervon geht auch ein in dieser Woche bekannt gewordenes Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags aus (siehe taz von gestern).

Das Gutachten ist für die Regierung brisant, weil es die Frage aufwirft, ob sich die Bundesregierung im Falle eines US-Angriffs ohne explizites UN-Mandat nicht strafbar macht. Bei Generalbundesanwalt Kay Nehm liegen bereits entsprechende Strafanzeigen wegen Beihilfe zur Vorbereitung eines Angriffskriegs vor. Mit Blick auf die nicht völlig eindeutige völkerrechtliche Lage werden Schröder und Co. jedoch wohl einer strafrechtlichen Verurteilung entgehen.

Angefordert hatte das Gutachten der CSU-Politiker Hans-Peter Uhl. Er wehrte sich gegen den Vorwurf, die am 2. Januar ausgefertigte zehnseitige Abhandlung gezielt vor den Landtagswahlen am Wochenende an die Presse gegeben zu haben.

Auch die Grünen sind darüber zerstritten, unter welchen Umständen die Bundesregierung den USA Überflugrechte gewähren kann. Der Bundestagsabgeordnete Winfried Hermann und Fraktionsvize Hans-Christian Ströbele sagen: Eine zweite UN-Resolution muss her. „Ohne eine zweite Resolution im Sicherheitsrat muss der Kanzler seine Zusage an die US-Regierung zurückziehen“, sagte Hermann der Stuttgarter Zeitung.

Anders sieht das Ludger Volmer. Der außenpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag forderte im Kölner Stadt-Anzeiger seine Partei auf, sich von den Irakbeschlüssen vom Dezember 2002 zu verabschieden. Damals hatten die Grünen beschlossen, Deutschland müsse den Amerikanern die Überflugrechte verweigern, wenn der Irak ohne UN-Mandat angegriffen wird. „Die reale Entwicklung ist über die Resolution hinweggegangen“, sagte Volmer der Zeitung.