Schifferstadt hat einen neuen Kran

Der 38-jährige Claudio Passarelli sichert den Kurpfälzern ihre achte deutsche Meisterschaft im Ringen

SCHIFFERSTADT taz ■ Der Kran nennt sich die Vereinszeitschrift des Vereins für Kraftsport Schifferstadt, und auf dem Titelblatt umfasst der vor einigen Jahren verstorbene „Kran von Schifferstadt“, Wilfried Dietrich, einen der vielen ihm unterlegenen Gegner. An diese guten alten Zeiten wollten die Ringer aus der kleinen Stadt in der Nähe Ludwigshafens endlich wieder anknüpfen, als sie sich zu Saisonbeginn mit den Kämpfern Amiran Karntanov, Ara Abrahamian, Darius Jablonski und David Bidschinashwili verstärkten. Der letzte Meistertitel lag 13 Jahre zurück, was folgte waren sechs Finalteilnahmen – und sechs Niederlagen gegen die Krösusse Goldbach und Aalen, die immer einen Tick stärker waren.

Am Samstagabend um halb zehn ist der VfK in der heimischen Wilfried-Dietrich-Halle an seinem Ziel angekommen. Nach einer fast langweiligen Punkterunde ohne Niederlage, den deutlich gewonnenen Viertel- und Halbfinals gegen KSK Neuss und den KSV Köllerbach sowie dem vorentscheidenden 13:9 im ersten Finale beim KSV Aalen gewann die Staffel der nun als Trainer tätigen ehemaligen Weltklasseringer Markus Scherer und Behcet Selimoglu gegen den Rivalen von der Ostalb mit 12:8 und holte Titel Nummer acht in die Kurpfalz.

Und der geriet deutlich leichter als gedacht. In der viel zu kleinen und voll besetzten Halle brauchte es angesichts des Vier-Punkte-Vorsprungs aus dem ersten Aufeinandertreffen sogar einen Einpeitscher. Von der knisternden Spannung früherer Finals war dennoch nichts zu spüren. Es hat jedenfalls schon interessantere und vor allem spannendere Endkämpfe mit dem VfK gegeben, auch wenn sie nicht oft erfolgreich endeten. Bereits nach dem fünften Kampf des Abends war die Meisterschaft entschieden, der 38-jährige Claudio Passarelli hatte seinen Gegner Anton Nuding sensationell mit 3:1 bezwungen und zwei unerwartete Punkte beigesteuert. Danach gaben sich die Aalener auf, zumal Artjom Kurerjan gegen Darius Jablonski und Othmar Kuhner gegen Amiran Karntanov die beiden Schlüsselduelle verloren hatten.

Vor allem aber war es dieser Claudio Passarelli, der seine Karriere eigentlich längst beendet hat und als Sportlicher Leiter beim VfK fungiert, der den Gegner entscheidend in die Bodenlage zwang. Zur Jahreswende hatte der Mann, der vor Weihnachten noch 73 kg auf die Waage brachte, begonnen abzuhungern, kurz vor dem Hinkampf in Aalen hatte er die 65,6 kg erreicht, ein Gewicht, das er zuletzt als 17-Jähriger gehabt hatte. Der einstige Filigrantechniker stellte sich nun als Defensivmann in den Dienst der Mannschaft, verhinderte auswärts eine Vier-Punkte-Wertung gegen den VfK und setzte jetzt den Meilenstein zum Titel. Als „Held“ titulierte ihn Behcet Selimoglu, der Mannschaftskollege aus den 90ern und warf ihn drei Mal zum Hochleben in die Luft, und auch das Aalener Publikum kam aus dem respektvollen Staunen gar nicht mehr heraus.

In der zweiten Hälfte des Abends schaukelte sich das Publikum angesichts des bereits sicheren Triumphs dann doch noch ganz allmählich in Siegesstimmung. Bischinashwili und Abrahamian hielten Mark Buschke und Dimitrios Avramis nieder, während die Aalener Jens Gündling und Marko Yli-Hanuksella die Schifferstädter Engin Ürün und Adam Juretzko bezwangen. Zu diesem Zeitpunkt wurde mit Sprechchören bereits der neue deutsche Meister gefeiert. So blieb dem Trumpf-As der Gastgeber, Alexander Leipold, nur ein finaler Schaukampf. Eigentlich war er als Siegbringer eingeplant.

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