Kriminalität im Focus der Kirchenasylgegner

Schon wieder bringt ein Magazin vermeintliche Enthüllungen über Menschen im Kirchenasyl. Woher hat es die Akten?

BERLIN taz ■ Im Kirchenasyl der evangelischen St.-Gotthardt-Gemeinde in Brandenburg an der Havel wartet die vierköpfige kongolesische Familie Ndualu seit zwei Wochen auf ein Signal der Behörden. Dabei geht es längst nicht mehr nur darum, warum die kommunale Ausländerbehörde den seit elf Jahren in Deutschland lebenden Ndualus und den hier geborenen Kindern einen Aufenthalt nach der Altfallregelung verweigert.

Erneut ist damit ein Machtkampf zwischen dem Potsdamer Innenministerium und einer brandenburgischen Kirchengemeinde über den Umgang mit Asylsuchenden ausgebrochen. Dabei wird kräftig mit Dreck geschmissen. Unter der Überschrift „Asyl für Kriminellen“ berichtete der Focus am vergangenen Montag, José Ndualu habe sich selbst als Mittäter bei einer Vergewaltigung beschuldigt. Ausführlich zitierte das Magazin aus den Akten der Asylanhörung Ndualus beim Bundesamt für ausländische Flüchtlinge im Jahr 1993. Danach habe der damals 23-Jährige gesagt, er habe bei einer Studentendemonstration in Kinshasa die Erziehungsministerin des Mobutu-Regimes bei einer Vergewaltigung durch andere Demonstranten festgehalten.

„José Ndualu hat diese Tat nicht begangen“, sagt Nudualus Rechtsanwalt Stefan Gräbner. Bei der Asylanhörung sei fehlerhaft übersetzt worden. In der in der Republik Kongo weit verbreiteten Sprache Lingala seien die Wörter „Demonstration“ und „Vergewaltigung“ gleich lautend. Der Übersetzer des Bundesamtes sei ein Student und nicht beeidigt gewesen. José Ndualu, der kein Wort Deutsch sprach, konnte diese Fehler nicht erkennen. Dass Ndualus Asylantrag im Jahr 1997 abgelehnt wurde, sei im Übrigen mit „Widersprüchen“ begründet worden.

Wütend ist der Rechtsanwalt, weil „Brandenburger Behörden offensichtlich Aktenteile unter Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz an die Öffentlichkeit weitergegeben haben“. Er hat deshalb Strafanzeige gegen die Stadt Brandenburg, das Potsdamer Innenministerium und den Focus erstattet. Hoffnungen auf eine gründliche Ermittlung seitens der brandenburgischen Strafverfolgungsbehörden macht sich Gräbner nicht.

Rechtsanwalt Rüdiger Jung vertritt den Vietnamesen Xuan Khang Ha, dessen Kirchenasyl erst vor wenigen Wochen für Aufsehen sorgte. Jung sagt, als sein Mandant ins Kirchenasyl kam, sei Focus genauso vorgegangen wie bei José Ndualu. Unter der Überschrift „Die evangelische Kirche verhindert die Abschiebung eines notorischen Asyltricksers nach Vietnam“ hatte das Magazin über zwei Seiten Bruchstücke aus Has Asylakte aneinander gereiht. Der Berliner Rechtsanwalt vermutet, dass der Focus „möglicherweise von einer Quelle im Brandenburger Innenministerium mit den Akten der Asylsuchenden gefüttert wird“. Die Parallelen seien in den beiden jüngsten Fällen seien extrem auffällig.

Xuan Khang Ha hat Glück gehabt. Nachdem der SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck seinen Innenminister zurückpfiff, entschied nun ein Gericht, dass er vorläufig in Deutschland bleiben kann. Die Familie Ndualu in Brandenburg wartet noch.