Ein Sieg der Peripherie

Die Liberalen Ruth Wagner (Hessen) und Walter Hirche (Niedersachsen) haben vor allem deshalb gewonnen, weil sie nicht taten, was Guido Westerwelle wollte

BERLIN taz ■ Die FDP hat gewonnen – aber nicht Guido Westerwelle. Der liberale Parteichef war gestern in der klassischen No-win-Situation: Wären die Stimmen weggebrochen, hätte er wahrscheinlich bald sein Büro in der Berliner Zentrale räumen müssen. Aber auch die Zugewinne von 3 Prozent und mehr sind nicht sein Triumph. Da hatte seine Generalsekretärin Cornelia Pieper gestern Recht: Es war „ein Riesenerfolg vor allem für die Spitzenkandidaten vor Ort“ – für Walter Hirche in Niedersachsen und Ruth Wagner in Hessen. Denn die beiden haben immer genau das getan, was Parteichef Guido Westerwelle eigentlich nicht vorhatte.

Man erinnert sich, Februar 2000: Nachdem die schwarzen Kassen der Hessen-CDU bekannt geworden waren, verlangte die Bundes-FDP ultimativ von Wagner, dass sie die Koalition mit Roland Koch aufkündigt. Doch die Hessin weigerte sich, ihr Amt als Wissenschaftsministerin abzugeben.

Oder die „Unabhängigkeitsstrategie“: Noch auf dem Dreikönigstreffen der Liberalen in Stuttgart hatte Westerwelle erneut seinen Traum erläutert, die FDP könnte sich als selbstbewusste „Volkspartei“ zwischen CDU und SPD positionieren. Hirche und Wagner haben jedoch noch nie an diese Vision geglaubt. Und sobald es die parteiinterne Solidarität zuließ, also nach der Bundestagswahl, haben beide Landespolitiker klar signalisiert, dass sie eine eindeutige Koalitionsaussage für die CDU treffen wollen.

Die FDP hat damit erneut als Funktionspartei gesiegt. Die Wähler wollten sichergehen, dass die Mehrheit für die Union reicht. Oder wie es ein Liberaler gestern in Berlin ausdrückte: „Keiner weiß, warum, aber wir haben gewonnen.“ Westerwelles Hoffnung, aus dem ewigen Wurmfortsatz FDP eine eigenständig agierende „Programmpartei“ zu machen, hat sich erneut zerschlagen. Stattdessen wurden die konservativen Liberalen innerparteilich gestärkt.

Das schwächt nicht nur Westerwelle – sondern auch Jürgen Möllemann. Die gestrigen Wahlerfolge haben den Traditionalisten in der FDP gezeigt: Es geht auch ohne „Spaßpartei“, ohne Kanzlerkandidat und ohne „Strategie 18“. Der Nimbus von Möllemann als allein befähigtem Prozentebeschaffer ist ein wenig verblasst. Das geschieht zu einem interessanten Zeitpunkt: Morgen werden die FDP-Landtagsabgeordneten in Nordrhein-Westfalen abstimmen, ob sie Möllemann aus ihrer Fraktion ausschließen.

ULRIKE HERRMANN