Schwarze und Grüne auf Annäherungskurs

Koalitionsverhandlungen in Wien in greifbarer Nähe. Doch inhaltlich strittige Punkte wurden bisher ausgespart

WIEN taz ■ Charme hätte sie, die Farbenkombination Schwarz-Grün. Das war die Sprachregelung bei der ÖVP nach den Wahlen vom 24. November 2002. Die Grünen, die auf eine Mehrheit links der Mitte mit den Sozialdemokraten gesetzt hatten, fanden sich damals in der unerwarteten Lage, rein rechnerisch mit der Volkspartei von Wolfgang Schüssel regieren zu können. Im ersten Schreck über die geringen Zugewinne und den klaren Sieg der ÖVP legte sich die Ökopartei aber schnell auf die Opposition fest. Außer zwei unverbindlichen Treffen vor Weihnachten gab es mit den Siegern keine Kontakte.

Schwarz-Grün war die unwahrscheinlichste Variante. Schließlich hatte Schüssel in der FPÖ einen gedemütigten Partner, der zum Nulltarif zu haben war. Den Grünen hatte die ÖVP im Wahlkampf von gefährlicher Nähe zur gewaltbereiten Szene über angebliche Pläne zur Einrichtung von Haschischtrafiken bis zur Zwangsverordnung von vegetarischer Ernährung alles vorgeworfen, was bürgerliche Wähler abschrecken musste.

Doch plötzlich sind die beiden Gegenpole einander so nahe gekommen, dass Koalitionsverhandlungen unmittelbar bevorzustehen scheinen. Montag wurde im ÖVP-freundlichen Fernsehen über ein Datum der Regierungsbildung spekuliert. Seit vergangenem Donnerstag haben die Verhandlungsteams beider Parteien lange zusammengesessen. Zwar herrscht Schweigen, was die Inhalte der Unterredungen betrifft. Doch wird das gute Gesprächsklima gelobt.

ÖVP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat ist jedoch bemüht, die Erwartungen zu dämpfen: Es gebe „weder einen Zeitplan noch ein konkrete Einigung“. Auch die Vizeparteichefin der Grünen, Eva Glawischnig, meinte gestern, es sei alles noch offen. Eine konstruktive Atmosphäre könne über inhaltliche Differenzen nicht hinwegtäuschen.

Das ist wohl auch ein Signal an die eigene Basis, die die Fraternisierung mit der Schüssel-Partei mit wachsendem Unbehagen verfolgt. Aus den Landesparteiorganisationen waren fast ausschließlich negative Kommentare zu hören. Nur der EU-Abgeordnete Joahnnes Voggenhuber sprach von einer „ernsthaft zu prüfenden Möglichkeit“. Allerdings müsste im Regierungsprogramm die grüne Handschrift in der Ökologie sowie der Sozial- und Menschenrechtspolitik deutlich erkennbar sein. Weitere Voraussetzung sei ein innerparteilicher Konsens, der die notwendige Berechenbarkeit des möglichen Koalitionspartners herstellen würde. Heute tagt der erweiterte Bundesvorstand.

Dass Schwarz-Grün tatsächlich Gestalt annimmt, bezweifeln aber Insider und Politikwissenschaftler. In Wahrheit strebe Schüssel eine Minderheitenregierung an und betreibe systematisch das Scheitern der Verhandlungen mit den anderen Parteien. Mit den Grünen wurden kontroverse Punkte wie Luftraumverteidigung und Studiengebüren ausgespart. Kommen sie zur Sprache, ist ein Ende des schwarz-grünen Frühlings absehbar. RALF LEONHARD