Klimaschweine „Made in Germany“

Deutsche Autokonzerne präsentieren sich gern als Klimavorreiter – zu Unrecht, wie neue Daten zeigen. Viele ausländische Marken haben niedrigere CO2-Werte. Und bei Audi, Porsche und VW ist der Ausstoß in den letzten Jahren sogar noch gestiegen

VON SARAH MESSINA
UND NICK REIMER

„Klimaschutz einfach gemacht: Einsteigen und losfahren“, stand in großen Lettern über den Anzeigen, die der Lobbyverband der deutschen Auto-Industrie VDA kürzlich in vielen großen Zeitungen schaltete. Silbrig glänzten da sieben Limousinen unter blauem Himmel. Und weiter: „Dank neuester Technologien aus deutschen Entwicklungsabteilungen sind unsere neuen Autos besonders effizient, spritsparend und umweltfreundlich.“

Konkrete Zahlen zur Klimabilanz der Mitgliedsunternehmen, mit denen sich diese Image-Werbung belegen ließe, gibt es beim Branchenverband allerdings nicht. Auch die einzelnen Hersteller wimmeln ab: Nein, man gebe keine Daten zum Kohlendioxid-Ausstoß der verkauften Neuwagenflotte heraus, teilt eine VW-Sprecherin kühl mit. Audi antwortet auf eine entsprechende Anfrage nicht einmal. Bei Porsche werden lediglich Zahlen aus den aktuellen Katalogen genannt – aber welche Modelle mit welchem Kohlendioxid-Ausstoß wirklich auf die Straße kommen, bleibt auch hier geheim. Beim Kraftfahrtbundesamt (KBA) in Flensburg liegen zwar sämtliche Daten vor, aber eine Auswertung nach einzelnen Herstellern – gibt man dort hinter vorgehaltener Hand zu – werde vom Verkehrsministerium nicht gewünscht.

Das Greenpeace Magazin veröffentlicht nun in seiner jüngsten Ausgabe erstmals Detailzahlen. Dafür hat das Hamburger Beratungsbüro Ökopol Statistiken des KBA und der EU-Kommission ausgewertet – mit durchaus überraschenden Ergebnissen: Audi zum Beispiel hat mittlerweile eine schlechtere Klimabilanz als Mercedes. Die verkauften Fahrzeuge der Ingolstädter VW-Tochter steigerten den CO2-Ausstoß von 180,9 Gramm pro Kilometer im Jahr 2002 auf 185,4 Gramm in 2007. Bei Mercedes sank der Wert im gleichen Zeitraum von 202,5 auf 183,7 Gramm. Dort macht sich offenbar die erfolgreiche Ausweitung des Angebots durch die relativ kleine A-Klasse bemerkbar.

Auch Ford und Opel verzeichneten in den vergangenen fünf Jahren Fortschritte bei der Senkung des CO2-Ausstoßes und erreichten 2007 Werte von 155,9 bzw. 158,6 Gramm pro Kilometer. Doch allesamt sind sie noch Welten entfernt von der Selbstverpflichtung aus dem Jahr 1998, in der alle europäischen Autokonzerne versprachen, bis 2008 den Durchschnittsausstoß ihrer Neuwagenflotte auf 140 Gramm pro Kilometer zu senken. Die strengen Klima-Vorschriften für Autos, die von der EU-Kommission derzeit geplant werden, sind eine Reaktion auf dieses Versagen.

Auch BMW hat seine Klimabilanz deutlich verbessert – und zwar nicht durch den Aufkauf der Marke Mini, denn dieser Effekt wurde ebenso wie die Übernahme von Smart durch Mercedes von den Gutachtern herausgerechnet. Den umgekehrten Weg ging Volkswagen: Hier stieg der CO2-Ausstoß von 2002 bis 2007 deutlich an, von 162,5 auf 166,7 Gramm je Kilometer. Ursache dürften neue spritschluckende Sportwagen wie Touareg und Tiguan oder die Phaeton-Limousine sein. „Der Volkswagen-Konzern ist grün“, hatte VW-Chef Martin Winterkorn auf dem Pariser Autosalon getönt. Doch in Wahrheit scheinen die sparsamen BlueMotion-Varianten von Polo oder Passat, die VW sogern nach vorn stellt, bisher eher Nischenmodelle zu sein. Und auch Porsche, schon 2002 mit einem CO2-Flottenausstoß von 274,4 Gramm jenseits von Gut und Böse, legte in den vergangenen Jahren nochmals zu und kam 2007 auf 287 Gramm.

Ein Grund dafür ist, dass Autos in den vergangenen Jahren immer schwerer geworden sind – laut KBA stieg das Durchschnittsgewicht von Pkw-Neuzulassungen seit dem Jahr 2000 um zehn Prozent auf heute 1.445 Kilogramm. Zudem stieg die Motorenleistung laut KBA in den letzten acht Jahren um 18 Prozent. „Die deutschen Hersteller haben sich seit den Neunzigerjahren darauf konzentriert, immer mehr Luxus und immer PS-stärkere Motoren einzubauen“, erklärt Gerd Lottsiepen, Experte beim Verkehrsclub Deutschland VCD. Ökonomisch war das durchaus verständlich, weil die Gewinnmargen bei teuren Fahrzeugen größer sind als bei Kleinwagen. Langfristig aber könnte die Modellpolitik den deutschen Herstellern noch große Probleme bereiten: Hohe Benzinpreise und das beginnende Umdenken der Konsumenten treffen sie besonders hart. Bei Hybrid-Antrieben, die allerdings nur im Stadtverkehr effizienter sind, hat Toyota die Nase vorn. Und bei den neuerdings begehrten Kleinwagen sind ausländische Hersteller wie Fiat oder Renault deutlich besser aufgestellt als Audi, BMW & Co.