Wucht mit Nuancen

So war‘s: Bremer Philharmoniker plus David Geringas

Bei Bruckners Achter im letzten Abo-Konzert noch reihenweise leere Reihen, aber jetzt: zwei ausverkaufte Abende für die Bremer Philharmoniker. Lag’s am Programm, ungemein attraktiv mit dem Cellokonzert aller Cellokonzerte, dem nämlich von Antonín Dvorák, und der autobiographischen Vierten Sinfonie Peter Tschaikowskijs? Oder spricht sich herum, welchen Chefdirigenten wir mit Lawrence Renes seit Beginn der Spielzeit in Bremen haben? Wie auch immer, die so genannten Kartenterminals waren dem Ansturm zum wiederholten Mal nicht gewachsen. Mit einer halben Stunde Verspätung begann das zweite Konzert. Aber wie! Der Cellist David Geringas bietet eine fast erdrückende Intensität, formt aus jedem Ton und jeder Phase die nackte Existenzialität – wie bei den nahezu in Weinen umschlagenden Seufzergesten des zweiten Satzes. Atemberaubend seine tragfähigen Pianotöne, kraftvoll zupackend die herben rhythmischen Attacken, wunderbar ausgehorcht der Dialog mit dem Orchester und besonders mit Konzertmeisterin Anette Behr-König. Dass in der Dirigierhaltung von Renes bei Mahler und Bruckner doch noch so manches unsicher und labil war, merkt erst, wer seinen Tschaikowski gehört hat. Das ist absolut sein Stück, diese 1877 niedergeschriebene schwankende Lebensbefindlichkeit des Komponisten. Doch nie in großem und groben Bogen, sondern mit dem Ereignisreichtum der Mittelstimmen und immensen Nuancen. Das lebte, sprudelte, donnerte. Standing ovations waren die Antwort.

Ute Schalz-Laurenze