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Der Mond über Kalkutta

Auch aus der indischen Provinz möchte man fliehen: Die Menschen in Buddhadeb Dasguptas Panorama-Beitrag „Manda Meyer Upakhyan“ träumen vom Abschied

Warum handeln Filme immer wieder von jenen Tagen, als der erste Mensch den Mond betrat? Dabei lässt sich kaum ein Ort denken, an dem dieses Ereignis noch weniger eine Rolle spielt, als jene Kleinstadt Gospaira, in der der indische Lyriker und Regisseur Buddhadeb Dasgupta seinen Film „Manda Meyer Upakhyan“ ansiedelt. In der trostlosen und staubigen Provinz weiß von dem bevorstehenden großen Schritt für die Menschheit nur der Lehrer; er will eigens nach Kalkutta aufbrechen, um live dabei zu sein. Den Traum vom Fortschritt, vom besseren Leben, der die eigentliche Faszination der Mondlandung ausmacht, träumen auch andere. So handelt Dasguptas Film von der Sehnsucht, eine enge Welt hinter sich zu lassen.

Diese kleine, gar nicht schöne Welt stellt uns der Regisseur zunächst in scheinbar unzusammenhängenden Miniaturen vor. Wir sehen einen Mann, der sich in einem leeren Kino wieder und wieder die Vergewaltigungsszene eines indischen Schmachtfetzens anschaut. Eine junge Frau sitzt im Taxi, hat nicht genug Fahrgeld und schämt sich außerdem, ihr Ziel zu benennen. Zwei Kinder packen eine Katze in einen Sack und laufen querfeldein, um sie auszusetzen. Mit der Zeit kommen die Fäden zusammen. Die junge Frau will als Prostituierte arbeiten. Im Bordell trifft sie Rajani, die ihre Tochter Lati an einen reichen Mann verkaufen will, um ihr das eigene Schicksal zu ersparen. Lati will weiter zur Schule gehen. Ihre Mutter jedoch wird bald mit dem Kinobesitzer Paladi handelseinig, dem Mann mit der Vorliebe für Vergewaltigungsszenen.

Die Episodenstruktur und die starken Typisierungen – der geile alte Mann, sein etwas dümmlicher, aber gutherziger Chauffeur, die raffinierte Hure – verleihen dem Film einen folkloristischen Touch. Dem zweifelhaften Charme des Putzigen stehen die Dialoge entgegen: Sobald man die Prostituierten untereinander über ihr Gewerbe reden hört, wird es auf eine Weise direkt, die das Gegenteil von frivol ist. Ohne jede Anzüglichkeit kommt die Zwangssituation, in der sich die Frauen befinden, zur Sprache. Der verfallene Palast, in dem sie gemeinsam wohnen und arbeiten, ist nur äußerlich eine Idylle; nichts am ärmlichen Provinzleben wird hier beschönigt. In einem Wechselbad aus Poesie und Realismus führt Dasgupta die Not seiner Figuren vor – und dass es für sie nur einen Ausweg gibt: weg. BARBARA SCHWEIZERHOF

Heute, 19 Uhr, Zoo Palast, morgen 11.30 Uhr Cinemax Potdamer Platz, übermorgen 14.30 Uhr International

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