Ein stimmgewaltiger Gott für die Prager Burg

Der Schlagersänger Karel Gott ist für das Amt des tschechischen Präsidenten im Gespräch. Noch ziert er sich

Eigentlich ist es selbstverständlich: Nur einer kann das Erbe Václav Havels antreten: Gott. Komisch nur, dass die Tschechen erst nach zwei vergeblichen Präsidentenwahlen darauf gekommen sind. Wenn nicht Karel Gott, der Übervater des mitteleuropäischen Schlagers, wer könnte dann Vater des bislang präsidentenlosen Staates werden.

Mal ehrlich: Was ein Ronald Reagan in den USA konnte, kann ein Karel Gott schon lange. Schließlich gehört er zu Tschechien wie das Bier zu seiner Heimatstadt Pilsen. Und repräsentieren tut er seine Heimat schon seit fast 40 Jahren. Fast wäre es gar nicht so weit gekommen, und die Welt wäre um die goldene Stimme aus Prag gebracht worden, hätte sie nicht ein tragisches Ereignis ins Rampenlicht gerückt. Blutjung soll er damals gewesen sein, als seine Freundin auf dem Sterbebett lag. Sie nahm ihm das Versprechen ab, seinen goldenen Tenor der Welt zu schenken und die Menschen zu beglücken. Aha, ein Mann also, der sein Versprechen hält. So eroberte er Mitteleuropa, auf den Flügeln der Biene Maja brachte er Licht in die dunkle kommunistische Normalisierungskultur. Er wurde ihre Leuchte, die selbst beim kapitalistischen Erzfeind Frauenherzen erfreute und das devisenhungrige Regime seines Heimatlandes durch schwere Jahre fütterte.

Die damaligen Machthaber verliehen ihrer Nachtigall zum Dank den Titel „Nationaler Künstler“. Und vom Olymp der tschechischen Unterhaltungskultur ist es jetzt vielleicht nur noch ein kleiner Schritt auf die Prager Burg und die Weltbühne.

Seit über 40 Jahren ist Karel Gott in seiner Heimat der Superstar. Kaum eine Preisverleihung, bei der er nicht vom obersten Treppchen lächelt, kaum ein Konzert, das nicht ausverkauft ist. Kaum ein Tag, an dem die Postille Blesk (Blitz) nicht über ihren Gott berichtet. Das Volk ist immer bestens informiert.

Gut, die Tatsache, dass er drei Töchter hat, hat er lange verschwiegen. Aber nur, wie er beteuert, um seine Fans nicht zu enttäuschen. Selbst sein Privatleben hat er seinen Anhängern geopfert: Da sich ein Karel Gott niemals einer einzigen Frau hingeben und sich so von seinen Verehrerinnen entfremden würde, ist er lieber Single geblieben. Dank seiner zahlreichen Exgeliebten erfährt der/die normal Sterbliche öfters was über das Privatleben Gottes: Besonders gern hätte er es gehabt, wenn sie beim Schnitzelklopfen war, vertraute ein blondes Sternchen Blesk an, nachdem Gott ihr ein letztes Servus geflüstert hatte.

Natürlich gibt es auch böse Zungen, die Gott seinen Erfolg neiden. Manche verzeihen dem Künstler nicht, dass er 1978 die so genannte Anti-Charta unterzeichnet hatte, die Antwort des kommunistischen Regimes auf die Charta 77 von Gotts Vielleichtvorgänger Havel. Bei dessen Abschiedsgala in der vergangenen Woche hat Gott jedenfalls mal wieder geglänzt, da konnten Havels ehemalige Mitdissidenten noch so meckern.

Mag Karel Gott eine Präsidentschaftskandidatur, die die von Künstlern ins Leben gerufene Aktion „Karel for President“ unterstützt, heute noch ablehnen. Im Falle von Direktwahlen wird er sein Volk nicht im Stich lassen. Denn er ist mehr als ein bloßer Chansonnier. Karel Gott ist ein Philosoph, der sich auf sein weißes Pferd geschwungen hat, um die dunklen Mächte, die, wie er glaubt, die Welt beherrschen, zu bekämpfen. ULRIKE BRAUN