Klappen macht mobil

Oldenburger Architektur-StudentInnen entwerfen Möbel, die das Umziehen einfacher machen. Nie wieder Ärgern über abgebrochene Tassenhenkel und verlorengegangene Papiere. Wie es geht, ist in der Oldenburger Universität zu sehen

„Unsere heutige Wohnform ist nicht auf Mobilität eingerichtet“

taz ■ Wer bleibt denn heute noch längere Zeit in dem selben Haus wohnen? Umziehen für die Schule, für das Studium und etliche Male für den Job. Mobilität ist Pflicht – heute London, morgen Tokio. „Der Umzug wird dabei zu einer mittleren Katastrophe. Unsere Wohnform ist nicht auf Mobilität ausgerichtet.“ Porzellan zerbricht in den Kartons, über der schicken Ledercouch kippt der Holzlack aus und die wichtigen Unterlagen für die Versicherung gehen im Chaos verloren.

Diese Katastrophe will Volker Kuhnen, Professor an der Oldenburger Fachhochschule, Fachbereich Architektur eindämmen. Er kennt das Problem. Als Sohn eines Militärs wurde er oft zu einem Ortswechsel gezwungen. Massen von Möbeln und Besitztümern müssen transportiert, aus der Wohnung raus und wieder rein gewuchtet werden. „Es dauert Monate, bis alles wieder so eingerichtet ist wie man es möchte.“ Einrichtungsgegenstände passen nicht mehr in die neuen Räume, weder praktisch noch ästhetisch. Deshalb stellte er Studenten aus dem fünften bis neunten Semester die Aufgabe, Wohnenvironments zu entwerfen und zu bauen, die für einen schnellen Ortswechsel geeignet sind.

Fünf Objekte sind entstanden, die zusammengeklappt zwei Meter hoch, 83 cm breit und 2,50 Meter lang sind – etwa so groß wie zwei Tiefkühltruhen aufeinander. Küche, Schlafzimmer, Badezimmer, Arbeits- und Wohnbereich alles kann zusammengeklappt mitgenommen werden. Jeder Raum erfüllt die nötigen Funktionen und hat genügend Stauräume, ist mit Licht ausgestattet und steht auf Rollen. Bei einem Umzug muß nichts in Kartons gepackt werden. Die Gegenstände bleiben in ihrem Stauraum und das mobile Möbel wird samt Inhalt zum übergroßen Wohnkoffer. Bei allem Komfort sind die Objekte auch noch schön anzusehen. „Die Arbeiten sind keine Prototypen“, erklärt Kuhnen. Die Serienproduktion ist nicht geplant, man könne aber darüber nachdenken. Vielmehr ging es ihm um die Idee und die Überlegung, wie man Wohnraum mobil gestaltet.

Neben den Wohn-Environments haben die Studenten ein Haus entworfen, dass an die Infrastruktur eines Campingplatzes angelehnt ist. Gedacht ist, das der Bewohner samt seiner Wohnkoffer einzieht und diese an Strom und Abwasser andockt. Die Stromkabel können aus der Decke gezogen werden und die Wasseranschlüsse sind unter den Bodenplatten versteckt. Vor dem Umzug werden die Schläuche rausgezogen, die Möbel zusammengefaltet und auf die Terrasse gerollt. Von da aus hievt ein am Haus befestigter Kran die Einrichtung auf den Lkw.

Sieben Gruppen, bestehend aus jeweils drei bis vier Studenten, haben die Objekte entwickelt. Eine Gruppe war für den Entwurf des Hauses zuständig, jeweils eine Gruppe für eine Wohneinheit und die siebte Gruppe kümmert sich um die Planung der Ausstellung. Bei einer Wanderausstellung können sich Interessierte die Objekte anschauen, durch den Standortwechsel werden sie auch gleich auf ihre Tauglichkeit getestet.

Die Planung begann mit einer theoretischen Phase, in der der Gegensatz von mobiler Gesellschaftsform und immobiler Wohnform aufgegriffen wurde.

Der Umzug wird zur Katastrophe – es dauert Monate bis alles eingerichtet ist“

Die Studenten schauten sich architektonische Entwürfe mobilen Wohnens an, wie zum Beispiel amerikanische Häuser auf Rädern. Nach der Vorgabe der fünf Funktionsbereiche und der Maße durch Professor Kuhnen, zeichneten die Jung-Architekten ihre Entwürfe und fertigten Pappmodelle. Gebaut wurden die Klappmöbel aus preiswerten MDF Platten. Kuhnen rechnet bei einer Herstellung für den Handel mit einem Preis von etwa 10.000 Euro. Man kann nur hoffen, dass die mobilen Möbel bis zum nächsten Umzug in Serie produziert werden. Praktisch sind sie allemal.

Laura Ewert

Zu sehen ist die Ausstellung „Mobilität und Wohnen“ vom 11. 2. bis zum 21. 2. im Hörsaalzentrum der Oldenburger Universität