BERLUSCONIS ITALIEN STÄRKT AMERIKA – UND SCHWÄCHT EUROPA
: Schulterschluss mit Nebenwirkungen

Solche Tage mag Silvio Berlusconi. Monatelang hat er sich anhören müssen, seine Rechtskoalition isoliere Italien in Europa. Doch als jetzt Außenminister Fischer bei ihm vorsprach, waren die Rollen wie ausgetauscht. Isolation droht nun Deutschland – und Italien hat daran ordentlich mitgewirkt. Nicht, dass Fischer keinen Zuspruch erhalten hätte in Rom. Die deutsch-französische Achse lobten gleich mehrere Gesprächspartner – aus den Oppositionsparteien. Das Treffen des deutschen Außenministers mit dem italienischen Premier dagegen konnte Corriere della Sera in einer Zeile zusammenfassen: „Fischer hat Berlusconi gesehen.“

Offenbar hat der Ministerpräsident beschlossen, vorerst auf seine Lieblingsnummer „everybody’s darling“ zu verzichten. Mit der hatte Berlusconi das heimische wie das auswärtige Publikum lange blendend unterhalten: Zu Besuch bei Bush lag er voll auf US-Linie, im Gespräch mit Putin wurde er zum überzeugten Russen, zwischendrein gab er den glühenden Europäer. Jetzt aber ist der Helm festgeschnallt. Berlusconi ist abmarschbereit und die USA dürfen verkünden: „Italien ist mit uns.“ Am Zuspruch zu Hause kann diese radikale Festlegung kaum liegen. Gut 70 Prozent der Italiener meinen, ihr Land solle sich der deutsch-französischen Position anschließen; nur 17 Prozent befürworten dagegen den Schulterschluss mit den USA.

Wenn der sonst so umfragenhörige Berlusconi sich um die öffentliche Meinung nicht groß schert, dann muss er gute Gründe haben. Seit seinem Regierungsantritt predigt der Premier, Italiens Gewicht in der Welt müsse sich erhöhen, und vor allem in Europa müsse sein Land endlich mehr zählen. Ebendies ist heute sein Kalkül: Den einen macht Berlusconi den Knecht, um sich den anderen, den Deutschen und Franzosen gegenüber aufmüpfig zu geben. Der Schulterschluss mit den USA kommt Berlusconi – wie auch seinem spanischen Buddy Aznar – wie gerufen, um die eigene Bedeutung in der EU klar zu machen. Und wenn dieser Gewichtsanstieg mit einer Gewichtsabnahme der EU einhergeht, ist das dem Europaskeptiker Berlusconi herzlich egal. MICHAEL BRAUN