Beleben des Vivo

Eigentlich sollte das Nachhaltigkeitszentrum in der Gaußstraße im Herbst öffnen. Nun soll es April werden. Betreiberwechsel, kein Anschluss an die Ökoszene, zögerliche Mietinteressenten. Was beim Vivo schiefgelaufen ist – eine Bestandsaufnahme

„Ich kenne Ökoprojekte, die Vorverträge hatten – die kündigten alle“

von GERNOT KNÖDLER

Es soll Menschen aus ganz Norddeutschland nach Hamburg locken, doch sieben Wochen vor seiner mehrmals verschobenen Eröffnung tut sich im Ottenser Nachhaltigkeitszentrum Vivo nichts. Handwerker schrauben das eine oder andere Blech an die bunte Fassade. Aber die weiten, transparenten Räume sind – bis auf ein paar Topfpflanzen – leer. Von der aktiven Mitarbeit der Hamburger Ökoszene, die stets als Voraussetzung für ein Gelingen des Projekts galt, ist keine Rede mehr. Die ursprünglichen Vermarkter und Betreiber Neuwerk Consult sind ebenso wie die Geschäftsführer des städtischen Projektentwicklers, der Hamburger Gesellschaft für Grundstücksverwaltung und Projektplanung (HaGG), abgelöst worden. Potenzielle Mieter zögern. Jetzt soll die ehemalige Staatsrätin der Stadtentwicklungsbehörde, Barbara Meier-Reimer, den Kahn flottmachen.

Gewerbehof als Wunderlösung

Die Idee für ein Nachhaltigkeitszentrum geht zurück auf einen Kreis von Handwerkern, Dienstleistern und Händlern aus der Ökoszene. Sie gründeten einen Verein zur Errichtung eines Ökozentrums und suchten sich Verbündete: Für den damaligen Altonaer Bezirksamtsleiter Uwe Hornauer ergab sich die Chance, mit Hilfe des Zentrums den Rand von Ottensen zu beleben.

In Kombination mit dem edlen Gewerbe im Phönixhof, der geplanten Lofts auf dem Kühne-Gelände und einem im Bau befindlichen Gewerbehof an der Schützenstraße könnte es das Quartier aufwerten. Überdies bot sich die Möglichkeit, den großen Bauwagenplatz auf dem Gelände zu verkleinern.

Der rot-grüne Senat konnte eine nachhaltige Lebensweise fördern. Gleichzeitig sollte der Gewerbehof die lokale Wirtschaft fördern, weshalb die Stadtentwicklungsbehörde aus ihrem schmalen Etat knapp sieben Millionen Euro städtischer Zuschüsse überwies.

„Von vornherein war klar, dass sich ein Ökozentrum nur mit einem partizipativen Vorgehen und einer möglichst frühzeitigen Einbeziehung von Erfahrungen mit einschlägiger betrieblicher Praxis entwickeln lässt“, heißt es in einer Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft vom April 2000. Eine Gruppe aus dem Verein sollte deshalb Marketing und Management des Ökozentrums übernehmen. Als „Neuwerk Consult“ versuchten sie, Mieter für den richtigen Branchenmix zu akquirieren. Ihre Schwesterfirma „Das ‘Ö‘“ – so der erste Name des Ökozentrums – sollte als Generalmieter auftreten. Die HaGG fungierte als Bauherrin.

Doch die HaGG und Neuwerk Consult überwarfen sich. „Wir konnten uns nicht über die Konditionen einigen, zu denen die das managen wollten“, sagt Meier-Reimer, jetzt Geschäftsführerin der fürs Vivo zuständigen 1. HaGG-Verwaltungsgesellschaft. Die übrigen Vorstandsposten der HaGG bekleiden jetzt Mitarbeiter der städtischen Immobiliengesellschaft Sprinkenhof AG. Neuwerk habe sich außerstande gesehen, Generalmieterin zu werden. „Die wollten die vier Millionen Euro Ausfallrisiko nicht tragen“, sagt Peter Moll von der Kölner Firma Ecom, die das Zentrum jetzt vermarktet. Neuwerk war nicht zu erreichen.

„Ich konnte verstehen, dass die HaGG als Geldgeberin entscheiden wollte“, sagt Vereinsmitglied Jochen Krehan vom Weinhandel Pinot Gris. Damit sei aber der Senatsbeschluss über Transparenz und Synergie beim Ökozentrum hinfällig geworden. Die Ablösung von Neuwerk Consult durch die HaGG und Ecom, so die Einschätzung der meisten Beteiligten, hat dem Ökozentum die größten Schwierigkeiten beschert: Viele avisierte Mieter sprangen ab. „Die Voraussetzung für eine Einbettung in die Öko-szene war nicht mehr gegeben“, räumt Meier-Reimer ein.

„Ich kenne Ökoprojekte, die Vorverträge hatten“, sagt Robert Jarowoy von der Stadt-Land-Genossenschaft, einer ökologischen Einkaufs- und Verkaufsgenossenschaft. „Die kündigten alle.“ Die Gründe dafür waren vielfältig. Ecom habe es nicht geschafft, sich das Vertrauen der potenziellen Mieter zu erarbeiten, sagt Krehan. Die Firma arbeite „nicht so richtig professionell“, urteilt Friedrich Lange, der nach eigenen Angaben für den geplanten Supermarkt im Zentrum gebucht war und dann mit anderen Bewerbern konkurrieren musste.

Lange nennt immer wieder angeführte Gründe für die Verzögerungen beim Nachhaltigkeitszentrum: Die „sehr unsichere Vermietungssituation“ ließ viele Mieter darauf warten, dass ein anderer den ersten Schritt täte. Zumal klar war, dass das Zentrum bei seiner Lage am Rande von Ottensen aus sich heraus eine Anziehungskraft für Kunden aus der ganzen Metropolregion entwickeln musste. Überdies schien Ecom das Konzept verändern zu wollen: Das „Ö“ wurde umbenannt in „vivo“ und als „Welt der Lebensqualität“ vermarktet. Am angestrebten Drittelmix zwischen ökologischem Handel, Dienstleistungen und Gewerbe änderte sich jeoch nichts, ebenso wenig an den Nachhaltigkeitskriterien, die die Mieter erfüllen müssen.

Ecom überrascht mit Mietsteigerungen

Ecom verlangte höhere Mieten. Neuwerk habe es versäumt, die Mieter auf die hohen Nebenkosten eines gemanagten Gewerbezentrums hinzuweisen, sagt Meier-Reimer. Der Betreiber, der sich um den Branchenmix und eine aufwändige gemeinsame Vermarktung kümmert, will bezahlt werden. Und schließlich fand mancher seine baubiologischen Ansprüche an das Gebäude nicht erfüllt.

HaGG und Neuwerk hätten es versäumt, feste Verträge abzuschließen, um festzustellen, wieviele Mieter ernsthaft interessiert waren, sagt Gerrit Anderson, der die HaGG anfangs beriet. Er bedauert, dass sich die anfängliche Aufbruchstimmung nicht gehalten habe. Dass Handwerker zögern würden, ins Vivo zu ziehen, sei absehbar gewesen. Ohnehin sollten sie durch das Zentrum gefördert werden, nicht umgekehrt.

Moll und Meier-Reimer zufolge soll das Zentrum trotz aller Probleme am 2. April, rechtzeitig zu Ostern, eröffnet werden. „Es ist jetzt gelungen, für die wesentlichen publikumswirksamen Einrichtungen Mieter zu finden“, versichert die ehemalige Staatsrätin. Moll hat, wie er sagt, einen Mieter für einen Biosupermarkt unter Vertrag, überdies für meh-rere kleine Lebensmittelläden und Marktstände. Dazu kämen ein Eiscafé, ein Restaurant und eine Caféteria. Für eine Initialzündung müsste das reichen.