Sparhammer über den Unis

Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) will den Hochschulen 200 Millionen Euro jährlich streichen – „undenkbar“ heißt es dazu aus der PDS-Wissenschaftsverwaltung. Doch Sparen wird unvermeidlich

von ADRIENNE WOLTERSDORF

Ganz unvorbereitet traf Thilo Sarrazins neuestes Sparvorhaben die Berliner Universitätspräsidenten nicht. Der Termin, den die Herren in Schwarz gestern Morgen mit ihrem Dienstherrn, dem Wissenschaftssenator Thomas Flierl hatten, passte ausgezeichnet. Zwar sollte es ursprünglich nur darum gehen, die 11,5 Millionen Euro, die sich wegen des Ausstiegs der Unis aus dem kommunalen Arbeitgeberverband im Dezember nun voraussichtlich einsparen lassen, vor dem Zugriff des Senats zu retten. Nachdem aber am Samstag der Finanzsenator seine neue Sparoffensive gestartet hatte, holten sich die Alma-Mater-Chefs bei Flierl gleich auch noch beruhigende Worte ab.

Zwar müsse allen Beteiligten klar sein, dass weiter gespart werden solle, mahnte der Senator, aber 200 Millionen Euro weniger, schon ab 2006, sei schlicht undenkbar. Sarrazins Summe sei eine „seelenlose Sparvorgabe“, ein Zahlenwerk, das keinerlei politische Gewichtung enthalte. Es sei nun Aufgabe der Universitäten, des Senats und der rot-roten Regierungskoalition, über Zeitkorridore und einen Maßnahmenkatalog zu debattieren.

Nach wie vor gelte, so Flierl, dass nicht im Kernbereich von Forschung und Lehre herumgespart werden solle, sondern in den Bereichen der Immobilienverwaltung (Facility Management), der Verwaltung und der Kooperationen. Eine konkrete Summe wurde gestern nach Sprecherangaben nicht genannt. Komme es aber tatsächlich zu rund 200 Millionen Euro Streichungen, so die Uni-Präsidenten unisono, bedeute dies entweder die komplette Schließung einer Universität oder ein weiterer Abbau um rund 17.000 auf 68.000 ausfinanzierte Studienplätze. Damit verliere Berlin aber seine wissenschaftliche Konkurrenzfähigkeit.

Rückendeckung erhielten die Universitäten gestern von den Oppositionsparteien. „Eine Stadt, die nichts anderes hat als ihre Kultur und ihre Wissenschaftseinrichtungen, schädigt sich durch solche Kürzungen massiv“, warnte Volker Ratzmann, Fraktionsvorsitzender der Grünen. Statt Studienplätze abzubauen, müsse Berlin mittelfristig, bis 2012 oder 2015, wieder auf 120.000 ausfinanzierte Studienplätze aufstocken, forderte die Grünen-Fraktionsspitze.

Der CDU-Landesvorsitzende Christoph Stölzl warnte ebenfalls vor weiteren Kürzungen im Hochschulbereich. Nur an den Zahlen etwas zu ändern, habe sich in vielen Reformprojekten der vergangenen Zeit als untauglich erwiesen. Der Unions-Chef forderte unterdessen eine grundsätzliche Reformdebatte über Studiengebühren oder das Modell einer Stiftungsuniversität. „Die Hochschulen sind ein Kernstück der Kompetenz dieser Stadt“, betonte Stölzl. Als „wissenschaftsfeindlich und destruktiv“ bezeichnete die wissenschaftspolitische Sprecherin der CDU, Monika Grütters, die neuesten Ideen des Berliner Finanzsenators. Eine Meinung, die nur noch im Kommentar „Bildungspolitischer Amoklauf des Senats“ der Berliner Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) eine Steigerung fand.

Die FDP-Fraktion forderte den Senat zum entschlossenen Handeln auf: Nun müsse gezeigt werden, dass keine Kahlschlagpolitik gegenüber den wissenschaftlichen Einrichtungen betrieben werde, sagte Erik Schmidt, wissenschaftspolitischer Sprecher, und forderte: „Der Vorstoß des Finanzsenators muss dorthin, wo er hingehört – in den Papierkorb.“

Angesichts des neuen Sparhammers, der sich da über den Köpfen der Uni-Präsidenten aufzubauen droht, schienen die 11,5 Millionen Euro eingesparte Tariferhöhungen, um dies es ursprünglich im Gespräch gehen sollte, nur noch Peanuts. Aber, wunderte man sich in der Kulturverwaltung, immerhin hätten die Herren fast zwei Stunden mit dem Senator um diese paar Kröten gerungen – und schließlich einen guten Kompromiss erreicht: Der Senat kriegt nur etwas, wenn wirklich etwas eingespart werde.