arabiata: stoßdämpfer in bagdad von BJÖRN BLASCHKE
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Sprachen sind Brachen. Zumeist lassen die Menschen sie unbeackert am Lebensrand liegen. Die Araber indes haben sich zwei, drei Stilblüten erackert. Sie sind den politischen Umständen geschuldet, in denen sich die Menschen zurechtzufinden versuchen. Die Jordanier beispielsweise nennen Stoßstangen „Saddam“. Allerdings nicht, weil sie meinten, der irakische Präsident sei prädestiniert dafür, möglichst bald einem Autounfall zum Opfer zu fallen. Dazu ist Hussein in der jordanischen Bevölkerung zu beliebt. Nein, der Stoßdämpfer „Saddam“ kommt schlichtweg von „sadama“, das nichts anderes bedeutet als „schocken“ oder „stoßen“.

Nun könnte man meinen, dass die Iraker in ihren Stoßstangen auch „Saddams“ sehen, da der „Schocker“ doch jeden noch so harten Stoß zurückweist. Aber weit gefehlt. Obwohl sich viele Iraker ein Foto ihres Staatsoberhauptes ins Auto kleben, verbieten sie sich die präsidiale Stoßstange. Saddam Hussein ist schließlich der Führer des Landes. Als solcher leitet er den Irak, die Iraker und alles andere, das sich in seinem Land befindet. Das heißt, dass er im Geiste in jedem Auto mitfährt: Saddam Hussein ist Motor und Lenkrad zugleich; er ist Vorwärts- und Rückwärtsgang; er ist Getriebeöl und Benzin; Nummernschild und auf jeden Fall Allrad … – nur Stoßstange ist Saddam Hussein eben nicht; ein dickes Stück Metall vorne an den Wagen geschraubt. Oder noch schlimmer: Am Hinterteil des Autos …

Und weil es so ist, wie es ist, nennen die Iraker ihre Saddams „da’am“. Der etymologische Unterschied ist so groß wie der zwischen „Staatspräsident der USA“ und „Staatspräsident des Iraks“: Die Iraker führen „da’am“ zurück auf die Wurzel „unterstützen“; nennen ihre Stoßstangen mithin „Unterstützer“. Doch rein praktisch sind alle „Stoßstangen“ gleich – überall, weltweit. Die Iraker sind also in Sachen Stoßstangen völlig unpolitisch – und damit schon wieder sehr politisch. Die Unterlassung macht’s.

Noch eine Unterlassung macht sich breit in der Sprache: Das arabische Alphabet bietet den Menschen kein „p“. Deshalb wird jedes Wort, das ein „p“ enthält und ins offizielle Arabisch transkribiert werden soll, mit einem „b“ versehen. In Zeitungen und Büchern wird „Popeye“ so zu „Bobay“ oder „Peking“ zu „Beging“. Im nicht offiziellen Arabisch – in Briefen oder auf Einkaufszetteln – haben die Araber ihrem „b“ einfach zwei Punkte hinzugefügt und es „p“ genannt. Das fanden insbesondere männliche Zeitgenossen mit dem Namen „Paul“ ganz suber. So hießen sie endlich nicht länger „Baul“.

Angesichts der Nahostpolitik, die die Regierung in Washington betreibt, ist jedoch festzustellen, dass diese Tendenz wieder rückläufig ist; dem „p“ werden die zwei Punkte genommen – und der Buchstabe damit wieder zum „b“. Jedenfalls gibt es in Jordanien und im Irak immer mehr Menschen, die den US-Außenminister mit Freuden „Bowell“ nennen. „Bowell“ heißt nämlich nichts anderes als „urinieren“.

Fragt sich nur, ob den US-Politikern das einen Schock versetzt – einen „Sadmi“.