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Schaufenster der Genossen

Bioprodukte und Fair Trade sind gut, genossenschaftliches Arbeiten aber noch viel besser, finden die Initiatoren des Grand Magasin in Neukölln. Hier werden solidarisch hergestellte Erzeugnisse verkauft

VON SASKIA VOGEL

„Kallamacka“ nennen Neuköllner Kids die Karl-Marx-Straße. Hier gibt es ein neues Kaufhaus mit dem mondänen Namen Le Grand Magasin. Wer durch den vergoldeten Eingang tritt, den erwarten allerdings keine Luxuswaren, oder vielleicht doch? In den Auslagen jedenfalls liegen Kosmetika und Kaschmirschals. Alle Artikel stammen aus dem sogenannten Non-food-Bereich und alle können erworben werden. Das Besondere: Sie wurden ausnahmslos in Genossenschaften hergestellt.

„Das Bewusstsein für Produkte aus solidarischer Arbeit stärken“, definiert Initiator Andreas Wegner, von Beruf bildender Künstler, das Ziel des neuartigen Kaufhauses, das eigentlich eine Verkaufsgalerie ist. Le Grand Magasin ist bewusst minimalistisch gestylt, denn Wegner will sein Kaufhaus keinesfalls als Eine-Welt-Laden verstanden wissen, als gebe es hier nur Holzketten in heimeliger Atmosphäre zu erwerben. Im Unterschied dazu biete Le Grand Magasin eine viel breitere Produktpalette, darunter Haushaltsgeräte. Und auch eine „Fair-Trade“-Galerie hat Wegner nicht geschaffen. „Was bedeutet schon fairer Handel? Dass die Arbeiter nicht skrupellos ausgenutzt werden, ja. Dass sie Eigentümer und damit Entscheidungsträger des Betriebes sind, aber nicht.“

Fast anderthalb Jahre lang haben Wegner und sein Team in ganz Europa nach „sozialistischen Inseln im Kapitalismus“ recherchiert. Zwar gebe es mit „Cooperatives Europe“ einen europäischen Dachverband, viele Genossenschaften seien aber schwer ausfindig zu machen gewesen, so Antonia Herrscher, Pressereferentin von Le Grand Magasin.

Eklatant seien die regionalen Unterschiede, sagt Herrscher. In Deutschland ist das Genossenschaftswesen nur schwach ausgebildet, hier hat man mit dem Musikinstrumentenhersteller Miraphon tatsächlich nur einen für die Galerie passenden Betrieb gefunden. In Tschechien, aber auch außerhalb der ehemaligen Ostblockstaaten, ist das Genossenschaftswesen hingegen stärker ausgeprägt. In Spanien und Italien etwa wird es von der Regierung als „förderungswürdig“ anerkannt, trotzdem haben die meisten Betriebe am Markt zu kämpfen: „Kapitalisten verhandeln nicht gerne mit ‚Wir-eGs‘, in denen die kollektiven Entscheidungen oft Monate dauern“, sagt Herrscher. Das Team hat 15 der über 30 beteiligten Genossenschaften besucht und festgestellt, dass die meisten nur zögerlich auf die Idee reagierten, ihre Ware in einer hippen Galerie zu präsentieren. Es herrscht ein Defizit in den Bereichen Marketing und Design.

„Genossenschaftliche Produkte sind zwar hochwertig, sehen aber nicht immer gut aus“, erläutert Wegner. Deswegen hat er die Betriebe mit Künstlern vernetzt. Zum Vorteil beider Parteien, da es den einen an ästhetischem Know-how fehle, den anderen hingegen oft an Produktionsmöglichkeiten. Das erste Ergebnis dieser Kooperation ist eine Kommode aus lackiertem Holz, die eine Anklamer Manufaktur nach den Entwürfen von Barbara Steppe anfertigte. Sie kostet 1.280 Euro. „Bei uns werden die Künste nicht unter das Primat der Ökonomie gestellt, sondern machen sich diese nutzbar“, sagt Wegner. Deshalb sei Le Grand Magasin kein reines Kaufhaus, sondern zugleich eine Galerie. Mit einem geplanten Onlinekatalog genossenschaftlicher Produkte will man weitere Impulse setzen. Und an der tschechischen Universität in Ústí nad Labem befassen sich Art-&-Design-Studenten jetzt sogar mit innovativen Gestaltungsmöglichkeiten für Genossenschaften. Die Kommode ist stylish, der restlichen Produktpalette ist das Designdefizit teils anzumerken. Wegner hat recht, dass Le Grand Magasin mehr bietet als Krimskrams aus dem Eine-Welt-Laden. Trotzdem gibt es auffällig viel Holzspielzeug, ein Produkt, wie es typisch für Genossenschaften zu sein scheint. Daneben werden Produkte gezeigt, die Klischeevorstellungen überraschend brechen: Nagellack und Waschmaschinen. Die Schuhe und Textilien wirken, wenn auch hell und freundlich präsentiert, mitunter altmodisch. Nicht alle würden wohl den Ansprüchen von bewusst, aber modern konsumierenden Loha-Familien aus Prenzlauer Berg gerecht werden. Die Glaskaraffe für 25 Euro passt hingegen auch in eine Minimalistenküche.

Lohas zum Kauf animieren ist jedoch auch gar nicht das Ziel von Wegner. Er will eine unkommentierte Leistungsschau bieten und zeigen, dass neben den Ideen von Bio und Fair Trade auch noch das genossenschaftliche Arbeiten existiert. Ob diese Produktionsform in Deutschland zukünftig einen Aufschwung erlebt, darüber will Wegner nicht spekulieren. Kann wenigstens der genossenschaftliche Konsumartikel zum neuen „Gutes Gewissen“-Produkt avancieren? Ja und nein, sagt Wegner: „Wer aus Gemeinschaftsbetrieben kauft, der unterstützt eine solidarische Form des Arbeitens jenseits der kapitalistischen Ausbeute.“ Die einzelnen Genossenschaften seien aber nicht ausnahmslos „gut“. So haben in der tschechischen Textilproduktion Vyvoj die Geschäftsführer 70 Prozent der Anteile inne. Das Prinzip „Ein Genosse, eine Stimme“ gilt hier nicht.

Andere Genossenschaften hingegen bieten ihren Mitgliedern sogar eine kostenlose Universitätsausbildung. In puncto reines Gewissen könne der Konsument bei den meisten, wenn auch nicht allen Betrieben sicher sein, dass sie umweltverträglich arbeiten und auch die Zulieferer faire Arbeitsbedingungen einhalten, sagt Wegner. Denn wem nützt der solidarisch gewebte Kaschmirschal, wenn das Garn von blutigen Kinderhänden in Asien gesponnen wurde? In der spanischen Genossenschaft Teixidors wäre dies undenkbar. Stolz streicht Wegner über das weiche Gewebe der dort hergestellten Schals: „Teixidors ist ein Märchenbetrieb.“ Der größte Teil der Genossen seien Behinderte, die hier eine würdige Aufgabe fänden. Die Webstühle summten angenehm, lärmten aber nicht, und seien selbstverständlich ebenfalls in der Gemeinschaft hergestellt. Der taz, auch eine Genossenschaft, gibt Wegner gleich noch die gute Idee mit auf den Weg, auch den taz-Shop mit solidarischen Produkten zu bestücken. Nützliche Dinge und Kuriositäten, auf denen zukünftig das taz-Logo prangen könnte, sind ab sofort im Le Grand Magasin zu besichtigen.

Le Grand Magasin in der Galerie Saalbau, Karl-Marx-Straße 141. Bis 11. Januar, Di.–So. 10–20 Uhr. Ausstellungen in Ungarn und Tschechien folgen

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