Leben auf der Straße

Not in Hamburgs Innenstadt: Basis e.V. sucht Paten für Straßenkinder. 700 Jugendliche ohne Wohnung, ohne Geld und ohne Ausbildung – Caritas streicht Straßensozialarbeit in der City. Sozialbehörde spendet zwar Lob, aber kein Geld

von LENA GORELIK und ANDREAS WITTKOPP

„Ganz Gallien ist von den Römern besetzt... Ganz Gallien? Nein. Ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf hört nicht auf, Widerstand zu leisten.“ Die Arbeit mit Straßenkids in Hamburg ließe sich „angesichts eines vermeintlichen Mainstreams in dieser Stadt nach dem Motto ‚hart durchgreifen und wegschließen‘“ mit dem Leben von Asterix und Co vergleichen, befand gestern Thomas Nebel, Geschäftsführer des Vereins Basis e.V., der sich um Jugendliche kümmert, die auf der Straße leben, sich in der Drogenszene bewegen, teilweise anschaffen gehen. Nebel kritisiert die vom Rechtssenat verfolgte geschlossene Unterbringung von Jugendlichen: „Wir setzen auf Freiwilligkeit.“

Basis e.V. sammelt mit der Aktion „Paten für Straßenkids“ Geld für die Betreuung der schätzungsweise 700 obdachlosen Kinder und Jugendlichen am Hauptbahnhof und in St. Georg. Etwa 20 bis 30 Jugendliche im Durchschnittsalter von 16 Jahren kommen täglich in die Anlaufstelle „Aus-Zeit“, um sich auszuruhen und auszusprechen, berichtete Nebel.

Vor zwei Jahren wurde die Kampagne gestartet, mit dem Ziel 700 Menschen für eine symbolische Patenschaft von fünf Euro monatlich zu gewinnen. Seitdem hat der Verein 206.000 Euro an Patengeldern und Spenden gesammelt. Mit dem Geld wurden Projekte gefördert, bei denen obdachlose Jugendliche lernen, arbeiten und zur Ruhe kommen können.

534 Paten hat die Aktion mitt-lerweile, die 500. Patin ist die Schauspielerin Witta Pohl. „Ich hatte es besser, als die Kinder vom Hauptbahnhof. Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um zu helfen“, sagte sie gestern beim Patentreffen zum zweijährigen Bestehen der Aktion. Dorothee Stapelfeldt, Schirmherrin von „Paten für StraßenKids“ und Bürgerschaftspräsidentin, lobte das Projekt: „Es ist wichtig, dass Kinder, die niemanden haben, Menschen finden, die auf sie zugehen und sich um sie kümmern.“

Allein auf der Straße

Der Caritasverband stellt zum 15. Februar die Straßensozialarbeit in der Hamburger Innenstadt ein. Die Stelle von Sozialarbeiter Peter Ludt wurde in den vergangenen Jahren mit 53.000 Euro ausschließlich von der Caritas bezahlt. Jetzt soll er in die Krankenstube für Obdachlose wechseln. „Bereits vor einem Jahr haben wir der Sozialbehörde in einem Gespräch mitgeteilt, dass wir die Stelle des Straßensozialarbeiters ohne eine Bezuschussung nicht mehr halten können. Die Behörde bestätigte uns zwar mehrfach die gute Arbeit, zu einer finanziellen Beteiligung ist sie aber nicht bereit“, so Caritasdirektor Norbert Keßler.

Mit Ludt verlieren die Obdachlosen in der Innenstadt ihren einzigen Ansprechpartner, auch wenn es darum geht, das sie jemand bei schwierigen Behördengängen begeleitet. Luth führte pro Monat rund 100 Beratungen und 30 Begleitungen durch. Gerade diese Hilfe ist für die Wohnungslosen besonders wichtig, da viele von ihnen den selbständigen Weg zur Behörde scheuen. Das ergab auch eine Studie zur Lage der Hamburger Obdachlosen vom vergangenen Jahr. Die hatte übrigens die Sozialbehörde in Auftrag gegeben.

Damals kündigte Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) noch eine Verstärkung der mobilen Hilfsangebote an. Die Verweigerung von Zuschüssen für die Caritas passt da ebenso wenig ins Bild, wie die Streichung zweier Stellen für Straßensozialarbeit in St.Pauli im vergangenen Herbst.

Der Caritasverband sucht nun nach anderen Möglichkeiten der Finanzierung, um sein Angebot noch in diesem Jahr wieder aufzunehmen. „Die Arbeit von Herrn Ludt hat gezeigt, dass nur eine intensive Betreuung und Begleitung die Menschen aus der Obdachlosigkeit führen kann“, meint Norbert Keßler.

Infos über Straßenkids: ☎ 24 96 94 oder www.strassenkids.de.