Moskau gibt sich offen

„Russland ist gegen den Krieg“, erklärt Präsident Putin den Europäern. Doch der Kreml ist auch für den Kriegsfall gerüstet

MOSKAU taz ■ Die russische Bevölkerung ist nicht von der Notwendigkeit eines Irakkrieges überzeugt: In neuesten Umfragen bevorzugt die Mehrheit eine neutrale Haltung ihres Landes in der Irakfrage.

Möglichst neutral gibt sich auch Russlands Präsident Wladimir Putin, der in Sachen Außenpolitik schließlich das letzte Wort hat. Obwohl Russland im UN-Sicherheitsrat Entscheidungsträger ist, hält man das Thema in Moskau überraschend klein. Putin versucht zu lavieren. Den Amerikanern hat er unlängst zugesagt, Russland werde seine Politik überdenken, sollte der Irak die UN-Inspektionen behindern. Und gegenüber den Europäern wiederholt Putin die Position von Außenminister Iwanow, dass die politischen Lösungsmöglichkeiten keineswegs ausgeschöpft seien, der Irak bisher seine Verpflichtungen erfüllt habe und deshalb derzeit eine neue UN-Resolution völlig undenkbar sei.

Moskau pocht darauf, dass die Waffeninspektoren ihre Arbeit weiterführen, und betont, dass nur diese die Kernfrage beantworten könnten, ob der Irak Massenvernichtungswaffen besitze oder nicht.

Doch obwohl Russland sich der Initiative Frankreichs und Deutschlands angeschlossen hat, hält es sich in der Irakkrise alle Optionen offen. Auf seiner Europareise spielt Putins Widerwille gegen einen Krieg die Hauptrolle. Doch die deutsch-französischen Friedensbemühungen sind dem russischen Präsidenten noch aus einem anderen Grund willkommen: Sie geben Moskau die Möglichkeit, sich für eine friedliche Lösung auszusprechen, ohne in Opposition zu Washington zu treten und damit Putins „Freund“ und Amtskollegen George W. Bush zu verärgern.

Denn Russland hat offensichtlich auch in Washington vorgesorgt. Die USA dürften Putin gewisse Garantien für die russischen Wirtschaftinteressen in einem Irak nach Saddam Hussein gegeben haben. Russland hat derzeit zwar in Bagdad eine privilegierte Stellung, und seine Ölfirmen haben lukrative Verträge ausgehandelt. Doch unter dem Sanktionsregime der UNO bleiben sie zum größten Teil Papierwerk.

In den nächsten Wochen wird auch für Moskau der Tag der Wahrheit kommen. Klar ist, dass Russland in der UNO einem Waffengang nicht zustimmen wird, solange keine klaren Beweise gegen Bagdad auf dem Tisch liegen. Sollten die USA zum Alleingang ansetzen, was laut Putin „ein großer Fehler“ wäre, dürfte dies in Moskau nicht viel mehr als ein Schulterzucken auslösen. Denn auch für den Kriegsfall ist Moskau gerüstet. ZITA AFFENTRANGER