Wo sind die goldenen Koffer

In der Oberliga Hamburg/Schleswig-Holstein können St. Paulis Amateure heute deutscher Rekordhalter werden. Ansonsten prägen finanzielle Negativ-Rekorde die Spielklasse

von FOLKE HAVEKOST

Der FC St. Pauli 2003: verzweifelter Überlebenskampf – der Konkurrenz. Eine Mannschaft, ungeeignet für ihre Spielklasse – weil sie zu gut ist. Willst du St. Pauli siegen seh‘n, musst du an die Schanze gehn. Auf dem dortigen Polizeisportplatz spielen St. Paulis Amateure in der Oberliga Hamburg/Schleswig-Holstein so erfolgreich wie nie – und könnten am Ende trotzdem mit leeren Händen dastehen.

Bundesweiter Oberliga-Startrekord

„Wir haben eine klare Marschrichtung“, beteuert Stürmer Mark Pomorin, „und die heißt Meisterschaft.“ Die ist der Nachwuchs-Mannschaft allerdings kaum noch zu nehmen. In der äußerst schwachen Oberliga dominiert die Mannschaft von Trainer Ewald Reil fast nach Belieben.

15 Siege und zwei Unentschieden stehen zu Buche, der Vorsprung vor dem Zweiten SC Concordia beträgt 10 Punkte. Bleibt der Kiezkicker-Nachwuchs auch morgen (15 Uhr, Sternschanzenpark) gegen Schlusslicht TSB Flensburg ungeschlagen, übertrifft er den bundesweiten Oberliga-Startrekord von 17 Spielen ohne Niederlage durch Tennis Borussia Berlin.

Das Hinspiel gegen die Nordlichter vom TSB verlief allerdings äußerst knapp. Zehn Minuten vor Schluss führten die Flensburger 1:0, ehe Bülent Arlioglu und Fabian Boll mit ihren Toren ein frühes Ende der Rekordserie verhinderten. Es war das erste Spiel, bei dem einige mitgereiste St. Pauli-Anhänger T-Shirts trugen, auf denen vorne die Oberliga-Tabelle und hinten das Zweitliga-Klassement gedruckt war, das den Profis damals die rote Laterne zuwies. Ein deutlicher Verweis auf das Kernproblem des Nachwuchs-Teams: Steigen die Zweitliga-Kicker ab, bleiben die Aufstiegstore für die Amateure verschlossen.

Rückzug vom Rückzug beim ETV

Anderswo betrachtet man solche Gedanken als Luxus. Der Eimsbütteler TV (So., 15 Uhr beim VfL Pinneberg) verbrachte die Winterpause damit, sich im Oberliga-Fahrwasser zu halten. Nach dem Ausstieg des langjährigen Hauptsponsors Schweinske sah sich die klamme Fußball-Abteilung des Großvereins zunächst nicht mehr in der Lage, die Oberliga zu finanzieren.

Der darauf verkündete sofortige Rückzug wurde allerdings mittlerweile widerrufen. „In den letzten Wochen waren wir nur damit beschäftigt, den Spielbetrieb aufrechtzuerhalten“, schildert die Liga-Beauftragte Katja Gehrmann.

Im Sommer ist allerdings Schluss: Dann zieht sich der ETV, der in der Vorwoche immerhin Vorwärts-Wacker Billstedt 3:2 bezwingen konnte, in die Verbandsliga zurück. „Es sei denn, der Mann mit dem ganz großen goldenen Koffer kommt um die Ecke.“

Finanziell bedingt unabsteigbar

Der aktuelle Vorletzte hinterlässt einen schwer zu brechenden Oberliga-Rekord: In den vergangenen drei Spielzeiten stieg der achtfache Hamburger Meister zwar jeweils sportlich ab, blieb aber stets wegen finanzbedingter Rückzüge der Konkurrenz in der vierthöchsten Spielklasse. Der Spott der Konkurrenz war den „Unabsteigbaren“ sicher – und der Verbleib im Teufelskreis auch. Selbst nicht begütert, füllte der ETV seinen Kader regelmäßig mit A-Jugendlichen auf.

„Die Oberliga war eine schöne Erfahrung“, bilanziert Gehrmann, „aber wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen, ist sie sehr anstrengend.“