Heimkehr der Negation

Ausdauernder Sarkasmus: Nach rund 50 Gastspielen kommen Thomas Ebermann und Rainer Trampert mit ihrem Programm „Sachzwang und Gemüt“ zurück nach Hamburg

von NICOLE VRENEGOR und DIRK SEIFERT

Wenn Rainer Trampert und Thomas Ebermann durch die Republik touren, dann machen sie das mit einer Ausdauer, die allenfalls noch von semiprofessionellen Hardcore-Bands getoppt werden kann: Fast 50 Städte haben die Hamburger in den letzten Monaten besucht, um ihr aktuelles Programm „Sachzwang und Gemüt“ vorzustellen. Dabei zeigen sie ein Engagement, das ebenfalls Hardcore ist.

So kann es schon mal vorkommen, dass Trampert am Küchentisch einer ostdeutschen WG mit deren Bewohnern bis vier Uhr morgens der Frage nachgeht, warum Joschka Fischer Außenminister geworden ist. Oder aber die beiden lassen sich in der bayerischen Kleinstadt Taufkirchen beim obligatorischen Bier nach der Veranstaltung ausführlich über die lokale Antifa informieren. Die schönsten Abende finden häufig in zugigen autonomen Jugendzentren statt – in Orten mit so wohlklingenden Namen wie Sulzbach-Rosenberg und Backnang. „In der Kleinstadt fehlen die Gesprächspartner für Gesellschaftskritik“, sagt Rainer Trampert, und genau um diese geht es Ebermann und ihm.

Wer bei „Gesellschaftskritik“ an moralisierende Vorträge über das böse System oder jammernde Alt-68er denkt, die sich nach früheren Zeiten sehnen, der wird bei Ebermann und Trampert nicht fündig werden. Auch ihr derzeitiges Programm folgt dem inzwischen bewährten Rezept des „analytischen Sarkasmus“ und lässt linke Kulturkritik nicht zu Nabelschau und eitler Selbstinszenierung werden.

Handwerklich geht das etwa so: Zunächst werden die Zutaten wie beispielsweise ein Prospekt für Heimwerker, die Biografie der Hannelore Kohl, die Bild-Berichterstattung zur Fußball-WM oder ein Selbsthilfebuch für Mobbingopfer gesammelt. Diese Materialien gesellschaftlicher (Bewusst-)Seinszustände werden in kurze Zitate zerlegt und neu angeordnet. Dazwischen schichten Trampert und Ebermann analytische und kommentierende Bemerkungen. Auf der Bühne tragen sie diese Texte mit verteilten Sprecherpositionen vor. An der Performance – die beiden lesen sitzend vom Blatt – ließe sich aber sicher noch arbeiten. Inhaltlich aber ist das – im besten Sinne – alles andere als leicht verdaulich.

Und so gibt es Abende, an denen die beiden mit diesem Mix floppen, erzählt Ebermann. Etwa in Heilbronn, wo das Publikum eher aus sich links wähnenden Bildungsbürgern bestand. Diejenigen, die sich von einem Kabarettabend bunte Unterhaltung versprechen, werden bei den beiden nicht viel zu lachen haben, zielt doch der Spott häufig auf Eingemachtes. „Wir wollen begreifbar machen“, so Trampert, „wie sich der Kapitalismus in die Seele des Einzelnen einschreibt.“

Dabei ist den beiden Ex-Grünen jede Form der Praxistümelei suspekt und muss – wie etwa der Plan von Winfried Wolf (PDS) zu einem neuen Sackbahnhof in Stuttgart – auf die Schippe genommen werden. Wo sie schon bei ihrer Parlamentsarbeit nicht vernünfteln wollten, um irgendwelche realpolitischen Deals auszuhandeln, haben sie dies auf Kabarettbühnen erst recht nicht nötig. Sie gönnen sich den Luxus der Negation. Der häufig sarkastische Witz vermittelt sich nur denjenigen, die den „kritischen Reflex auf das, was sie tun, noch nicht ganz verloren haben“, meint Ebermann.

Wenn er erzählt, dass er nach einem erfolgreichen Auftritt in Bonn mit über 60 jungen Menschen richtig zufrieden einschläft, dann fragt man sich schon, ob ein gelungenes Kabarettprogramm nicht doch die beste Form der Realpolitik ist. Denn wer weiß schon, was aus dem Jugendlichen später mal wird, der sich in Taufkirchen, Backnang oder Bonn auf ein Gespräch mit den Realkritikern einlässt.

Sonntag, 20 Uhr, Alma Hoppes Lustspielhaus