Die Faust ist innen rot

Eine neue Ausstellung im Universum widmet sich der„Welt der Kleinsten“. Atome und Elektronen zeichnen poetische Spuren in Nebelkammern, und auch Besucher können etwas hinterlassen: Wie stellen Sie sich die kleinsten Bausteine vor?

Man kann versuchen, es zu verstehen. Man kann es auch lassen und meditieren

taz ■ „Atome sind wie Legosteine, aber wahrscheinlich kleiner und nicht so eckig.“ Es gehört zum guten Ton im Universum Science Center, dass auch der Laie ernst genommen wird. So auch im neuen Ausstellungsbereich „Die Welt des Kleinsten“, die jetzt für Besucher geöffnet ist und in klassischer infotainment-Manier über die unsichtbare Welt der Atome aufklärt.

In einer Ecke des nur 50 Quadratmeter großen Raums können auch die kleinen und großen Gäste des Universums ihre Vorstellung vom Atom loswerden. Alle werden aufgezeichnet – die hübschesten werden dann von den Universums-MitarbeiterInnen ausgewählt und in einer anderen Ecke wieder abgespielt. Neben der Legostein-Theorie verbreitet das Band auch jede Menge Mitleid mit den Forschern: „Die Jagd nach den kleinsten Teilen ist ja eine richtige Sisyphus-Arbeit: Immer wenn man welche gefunden hat, merkt man, dass es noch kleinere gibt“.

Genau. Und immer wenn ein Wissenschaftler sich eine Vorstellung vom Atom gemacht hat, hat der nächste sie grundlegend korrigiert. „Elektronen haben keinen festen Ort und keine feste Geschwindigkeit“, heißt es zuletzt nach den Forschungsergebnissen Erwin Schrödingers. Elektronen sind ab da nur noch Wellen ohne Gestalt. Alle anderen bildlichen Vorstellungen, zum Beispiel vom Atom als unteilbarer Kugel oder vom Atomkern als elektronen-umkreistem Zentrum, haben ausgedient. Es wäre aber nicht das Universum, wenn es nicht doch noch eine Form gefunden hätte, durch die die diversen überholten und akuellen Teilchen-Modelle unmittelbar einleuchten: Zwei Künstler, Martina Mrotzeck und Thomas Hogrefe wurden beauftragt, die Forschung zu veranschaulichen und haben sich für sehr farbige, sehr sinnliche Fotos entschieden: Beim aufgesägten Baumstamm symbolisieren die Jahresringe die Umlaufbahnen der Elektronen, eine schwere Boule-Kugel steht für das unteilbare Atom, eine Raupe in diversen Bewegungszuständen für die Wellentheorie. Es wäre aber auch nicht das Universum, wenn der problembeladenen Seite des Themas Raum gegeben würde. Atomkraft, Atombomben, Atommüll – all das spielt in der Ausstellung keine Rolle.

Stattdessen sollen die Besucher und Besucherinnen zunächst mal ein paar simple physikalische Zusammenhänge erfahren, ausprobieren und vielleicht begreifen. Dafür wartet die Ausstellung unter anderem mit einer Wärmekamera vor einer großen Leinwand auf. Atome in Bewegung setzen eine bestimmte Temperatur frei – die Wärmekamera macht die Verteilung der Energie deutlich: Die Faust ist innen rot, so wie die Mitte des Gesichts. Es folgen gelbliche und grüne Zonen. Die Nase von Rauchern schimmert bläulich, erst wenn man sie lange genug zwickt und knetet, changiert auch sie ins Rötlich-Warme.

Jahresringe eines Baumstamms symbolisieren die Elektronenbahnen

Ein anderes Exponat, die Nebelkammer, zeigt auf tiefschwarzem Grund die neblig-grauen Spuren von Elektronen und Protonen. Man kann versuchen, es zu verstehen, man kann es aber auch lassen. „Wer sich in diesem eher stillen Raum ein bisschen erholen möchte“, sagt eine Mitarbeiterin, „der kann über dem Nebelschirm auch einfach meditieren.“ Elke Heyduck