Unscharfe Bilder im Zwischenraum

Kontraststärke jenseits inflationärer Natur- und Kinoverweise: Die Hamburger Band „Halma“ liefert keine scharfen Bilder. Stattdessen lenkt sie heute Abend im Westwerk die Aufmerksamkeit auf Abstände und Zusammenkünfte

Sobald der Musik der Text fehlt, naht die Metapher, das sprachliche Bild, und der Versuch, die Musik zu unterwerfen. Dabei entstehen oft – und im Fall der Hamburger Band „Halma“ geradezu inflationär – Verweise zum Kino und zur Natur.

Dabei haben die vier MusikerInnen vielleicht eher den Anspruch, durch die Abwesenheit von Gesang die Aufmerksamkeit auf die einzelnen Töne, die Klänge zwischen den Tönen und die Pausen zwischen den Klängen zwischen den Tönen zu lenken. Dieser extravagante Fokus setzt sich fast schon radikal gängigen Rockmusikstrukturen entgegen. Es wird mit Auflösungen von Strukturen, von Akkorden, experimentiert, der Schwerpunkt verschiebt sich hin zu einer kommunikativen und interagierenden Komponente. „Halma“ hören einander zu und antworten bedacht und mit Respekt vor dem, was da eine Verbindung eingeht.

Dabei trotzen „Halma“ jeglichen Kategorisierungsversuchen. Es werden keine Soundtracks zu Kopffilmen geliefert. Die Hörerin muss sich stattdessen darauf einlassen, dass die Bilder in den Rahmen, die von Raum zu Raum getragen werden, schwarz bleiben, wie es auch im grandiosen Video „The black museum“ zum Stück „Subdub“ von Matthias Meyer arrangiert wurde.

Beim im August erschienenen vierten Album „Broad Peak“ denkt man eher an Weilheim als an das, was ortsansässige Möchtegern-Großstädter üblicherweise als Hamburg-Sound vermarkten. Demnach liegen auch „Halma“s musikalische Einflüsse eher im Speziellen als in einer Genre-Zugehörigkeit und sind nicht naheliegend zusammengesetzt, sondern in anderen Zeiten und an anderen Orten, beispielsweise bei der US-amerikanischen Formation „Labradford“, im Easy-Listening oder Country zu finden. Die Konzentration liegt in der Verschraubung der kontrastierenden Elemente. Was auf dem Vorgänger „Back To Pascal“ noch deutliche Dub-Atmosphären schuf, wird bei „Broad Peak“ loser gefasst, offener in Zusammenhänge gesetzt.

So wird die musikalische Methode deutlich, mit der „Halma“ ihre Stücke schreiben: im Vordergrund bleibt stets die Improvisation. Die Stimmungszustände liegen weiter auseinander, der dubbigen Tiefe werden zuweilen Pop-Versatzstücke oder kitschig anmutende Parts entgegengesetzt, eine Kontraststärke, zugleich verspielt und ausgefeilt.

Da klingt es dann auch wieder schlüssig, wenn sich „Halma“ bei Songtiteln wie „Saint Andreas Fault“ oder „Sunken Garden“ eben doch wieder dem Klischee der Naturmetapher bedienen können, ohne ein scharfes Bild des dazugehörigen Stückes zu skizzieren.KERSTIN SCHROEDINGER

Sa, 18. 10., 20 Uhr, Westwerk, Admiralitätstraße 74; mit „Nice New Outfit“ und „Alias“