Zehn Neue auf einen Streich

EZB bereitet sich auf Osterweiterung vor. Streit über die Größe des EZB-Rates

HAMBURG taz ■ Wim Duisenberg und seine Europäische Zentralbank (EZB) sorgen sich um ihre Zukunft. Im kommenden Jahr werden 10 neue Mitglieder in die EU eintreten, und schon bald werden sie auch deren wichtigste wirtschaftliche Institution bevölkern. Bis April will Duisenberg die Weichen für die Osterweiterung im EZB-Rat stellen. Mehrere Modelle liegen vor. Das Nationale droht zu triumphieren.

Der Rat entscheidet unter anderem über die Leitzinsen und damit über Inflation und Wirtschaftswachstum in der gesamten Union. In seiner jetzigen Konstruktion würde der Rat von derzeit 18 auf 28 Stimmberechtigte anwachsen. Träten auch Großbritannien, Dänemark und Schweden sowie eventuell Bulgarien und Rumänien dem Euro bei, gäbe es bis zu 33 Wächter des Euro. In der Praxis bedeutet das Handlungsunfähigkeit.

Gegenwärtig sind die 12 Präsidenten der nationalen Euro-Zentralbanken mit je einer Stimme im Rat vertreten, darunter Bundesbankchef Ernst Welteke. Hinzu kommen Duisenberg und seine 5 Direktoren aus der Exekutive der EZB. Diese 18 Eurowächter entscheiden laut Satzung im einfachen Mehrheitsprinzip, tatsächlich aber hat sich das strikte Konsensprinzip durchgesetzt.

Unvorstellbar, dass das demnächst mit 33 Bankern aus Ost und West, Nord und Süd, aus armen und reichen, großen und kleinen Ländern ebenso klappen könnte. Die Alternative ist, das Konsensprinzip aufzugeben, was endlose Streitereien über das Heiligste der EZB, die Preisstabilität, zur Folge hätte. Zudem droht eine Entmachtung der größeren Länder – zum Unwillen von Berlin und Paris.

Duisenberg hat deshalb ein Rotationsprinzip vorgeschlagen. In Anlehnung an Erfahrungen der US-amerikanischen Notenbank Fed und des Internationalen Währungsfonds werden drei Ländergruppen gebildet. Die Gruppe eins besteht aus den fünf größten Ländern Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien und darf 4 Stimmberechtigte stellen. Die Gruppe zwei versammelt die mittelgroßen Staaten und verfügt über 8 Stimmen. Die Kleinen müssen sich mit 3 Stimmen begnügen. Die Crux dieses Vorschlages steckt in der Untergewichtung der Großen, so könnten im Extremfall neun Länder, in denen de facto nur etwa 11 Prozent der EU-Bevölkerung leben, eine Mehrheitsentscheidung herbeiführen.

„Im Vorschlag der EZB sind die großen Länder deutlich unterrepräsentiert“, kritisiert das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Die Berliner Forscher schlagen stattdessen Dauerstimmen für die Großen und Gruppen erst bei den mittleren und kleinen Ländern vor. Außerdem solle der Rat auf 19 Personen beschränkt werden.

Woanders wünscht man sich ein Ende der Konsenskultur. So schlug Bundesbankpräsident Welteke in einem informellen Non-Paper-Entwurf vor, notfalls Kampfabstimmungen im EZB-Rat zuzulassen, die mit einer einfachen Mehrheit enden könnten. Damit lehnt sich Welteke an das Nizza-Modell für den EU-Ministerrat an. Allerdings soll jedes Land ein Recht auf Einspruch bekommen. Um den zu überstimmen, müssten die Abstimmungssieger die Mehrheit der Bevölkerung oder der EU-Wirtschaftskraft hinter sich haben.

Andere Vorschläge laufen sogar auf eine weitgehende Entmachtung des Rats und damit der nationalen Notenbanken zugunsten eines übernationalen Gremiums hinaus. Dann könnten allein die 6 EZB-Direktoren über Wohl und Wehe des Euro entscheiden. Damit ist allerdings kaum zu rechnen. So weit ist Europa noch lange nicht.

HERMANNUS PFEIFFER