Kirchen gegen frommen Bush

aus Washington MICHAEL STRECK

Alle großen Kirchen in den USA haben sich gegen einen Irakkrieg positioniert und für die heutige Großdemonstration in New York. Das wäre nichts Ungewöhnliches – Kirchen sprechen sich meist gegen Kriege und Gewalt aus –, hätte Präsident George W. Bush seine Religiosität nicht so sehr zur Politik erhoben. Kaum ein Tag vergeht, an dem er nicht von Gott spricht, von christlicher Tugend und Moral. Bush, dessen wichtigster Philosoph nach eigener Aussage Jesus ist, besucht jeden Sonntag die Kirche. Ginge er nicht immer nur in seine kleine Kapelle hinterm Weißen Haus, hätten ihm die Pastoren von der Kanzel aus längst die Leviten gelesen.

Als sich im vergangenen Herbst die martialische Rhetorik der Bush-Regierung gegenüber dem Irak und der Welt aufbaute, begannen die US-Kirchen zu protesterien, vor allem gegen die Doktrin des Präventivschlags. Gemeinsam stimmten die Katholische Bischofskonferenz der USA und der Nationale Kirchenrat, ein ökumenischer Dachverband protestantischer, anglikanischer und orthodoxer Christen, in den Friedenschor ein. Einzig die protestantische Kirche hält sich mit offener Kritik zurück. Alle anderen gehören zu den Mitunterzeichnern von „United for Peace“, die heute die größte Kundgebung in New York organisieren, aber auch in anderen Städten von San Francisco bis Wilmington, North Carolina.

Zwar kenne die katholische Morallehre Gründe, die eine militärische Intervention rechtfertigen würden, zum Beispiel bei einem Genozid, sagt Bryan Hehir, ehemaliger Theologieprofessor an der Harvard University und nun Direktor von Catholic Charities USA, doch im Irak sei das nicht der Fall. Ein Waffengang gegen Bagdad berge zudem unabsehbare Risiken und würde die internationale Ordnung untergraben.

Ihre kritische Haltung transportieren die Kirchen nicht nur in der Sonntagspredigt. Sie bedienen sich des Fernsehens und der Zeitungen. „Hier werden die modernen Predigten gehalten“, sagt Bob Adgar, Generalsekretär des Nationalen Kirchenrats, der kürzlich eine TV-Kampagne für längere UN-Inspektionen im Irak startete.

Konnte sich die offizielle Kirchenmeinung bis vor wenigen Wochen noch auf einen soliden Rückhalt in der US-Bevölkerung stützen, hat sich der Wind jetzt jedoch gedreht. Trotz anhaltender Skepsis unterstützt eine wachsende Mehrheit der Amerikaner einen Krieg gegen Bagdad. Adgar räumt daher Spannungen zwischen den Kirchenoberen und Ortsgemeiden ein. Es gebe Fälle, dass Gemeindemitglieder unter Protest ihre Kirche verlassen hätten, weil sich der Pfarrer als Kriegsgegner bekannte und ihm nun unpatriotisches Verhalten vorgeworfen werde. Adgar lässt sich davon nicht abschrecken. „Unsere Aufgabe ist es, in diesen Zeiten für Frieden zu werben.“

Selten zuvor in der amerikanischen Geschichte haben die Kirchen des Landes so schnell und deutlich ihre Stimme gegen einen drohenden Krieg erhoben. Früher opponierten sie erst, als die Soldaten bereits in der Schlacht waren. So war es in Vietnam und im Golfkrieg 1991. Doch die Kirchen hätten ihre Lektion gelernt, sagt Bryan Hehir. „Wir müssen protestieren, bevor das Blutvergießen beginnt.“