schneller vorlauf
: Schnäppchenjäger

Einsteins Boot, oder Hitlers kleine Profiteure, ARD, 21.45 Uhr

Gut zwanzig Jahre ist es her, da konnte man sie in Dokumentarfilmen noch sehen, die NutznießerInnen der so genannten Arisierung jüdischen Besitzes, wie sie – teils herunterspielend, teils pampig – zu erklären versuchten, wie sie um 1938 zu ihren Ladengeschäften, zu ihren Grundstücken und Häusern gekommen waren. „Das war ein ganz regulärer, marktüblicher Preis“, klang es unisono. Eigentlich habe man den Juden sogar geholfen.

Wenn heute „Hitlers kleine Profiteure“ in den Blick genommen werden, die sich an den Hinterlassenschaften und Notverkäufen ihrer jüdischen NachbarInnen bereicherten, kann man sich in der Regel nur noch an die Erbengeneration halten. Wie gehen die Nachgeborenen mit Besitz um, der sie durch ihr ganzes Leben begleitet hat, von dem sie aber wissen oder meist nur ahnen, er stehe ihnen moralisch nicht zu?

Bei der Suche nach spannenden und durch Zeugenaussagen belegbaren Fällen verfängt sich die WDR-Dokumentation bisweilen im Suspense der Rekonstruktion. Die verschiedenen Aneignungsweisen und Wege der räuberischen Vermarktung werden kaum getrennt: Was war Enteignung von Staats wegen, was Plünderung? Was wurde über den anonymisierten Weg von Kunstauktionen zugunsten des NS-Staats verscherbelt? Mit mehr Differenzierung hätte vielleicht ein präziseres Bild auch vom mangelnden Unrechtsbewusstsein gelingen können. Oder gar ein Report über die enthemmte Gier des gewöhnlichen Schnäppchenjägers.

Vor lauter Heraufbeschwörung der Vergangenheit verabsäumt die Dokumentation, auch nach dem Heute zu fragen, nach dem Umgang mit dem unguten Erbe. Was desto mehr verblüfft, als in dem Film auch Personen befragt werden, die sich ihrem Unwohlsein angesichts der obskuren Hinterlassenschaften ihrer Eltern und Großeltern gestellt haben und sich in der Stiftung Zurückgeben engagieren. Kein Wort über bestehende Möglichkeiten der Rückgabe an jüdische Organisationen. So reicht es in dieser Dokumentation nur zu einem weiteren flott gemachten Beitrag über die schaurige Gruselkammer NS-Staat. REINHARD KRAUSE