: Kaninchen und Polizisten
Ingrid Lausund zeigt bei „Konfetti – Ein Zauberabend für politisch Verwirrte“, was Politik mit Tricks zu tun hat
Immer gut drauf sein ist Pflicht. Fröhlichkeitswahn im Radio, alberne Talkshows und Nonsensgeplapper von früh bis spät im Fernsehen. Für ernsthafte Dinge wie zum Beispiel Politik bleibt da kaum noch Zeit. Und genau das ist beabsichtigt. Wie ein Zauberkünstler müssen Politiker ihr Wahlvolk ablenken, damit ihre Tricks funktionieren. Konfetti – Ein Zauberabend für politisch Verwirrte demonstriert das auf verblüffende Weise.
Anfangs kommt die Groteske, von Autorin und Regisseurin Ingrid Lausund in sechs Wochen gemeinsam mit den Schauspielern erarbeitet, eher langsam in Fahrt. Vier namenlose therapieerfahrene Menschen sitzen da jeder allein an einem Tischchen und lamentieren vor sich hin. Einer leidet unter Angst vor Depressionen (Bernd Moss), einer unter Verfolgungswahn (Bjarne Mädel), eine hat angeblich durch Meditieren ihr Glück gefunden (Sarah Masuch), der mit dem traurigen Dackelblick macht eine Lachtherapie (Martin Pawlowsky). Nur Anne Weber, mit langer Rothaarperücke unübersehbar die kritisch-wilde Furie, steht für Ernsthaftigkeit und Pathos, die im Kasperltheater der Gute-Laune-Kultur keinen Platz mehr haben.
Konfetti ist eine Nummernrevue der ganz besonderen Art. Wie schon in ihren früheren Stücken Hysterikon und Bandscheibenvorfall, beide im Malersaal uraufgeführt, bietet Lausund wieder eine originelle Karikatur des Alltagswahnsinns. Anfängliche Zweifel, ob Konfettiregen und Zaubertricks für die große Bühne des Schauspielhauses nicht eine Nummer zu klein sind, sind rasch verflogen. Manche Szenen sind einfach göttlich: Ein Plüschkaninchen wird da flugs vom braven hanseatischen Biederpaar zum Handtaschenräuber erklärt, die Staatsmacht in schillblauen Uniformen stürzt sich voller Elan auf das gefährliche Tier mit den großen „Klappmesserohren“.
Diese brillante Satire über den Hamburger Sicherheitswahn wird noch getoppt von der Zauberkunststückchen-Nummer, die einer flammenden Rede die Show stiehlt. Witz contra Ernsthaftigkeit: Wenn Bernd Moss zwischen den Fingern Eier hervorzaubert und ein Plüschtier über den Körper hoppeln lässt, ist das dermaßen komisch, dass Anne Webers Pamphlet dagegen nicht die geringste Chance hat. So funktioniert das also mit der Ablenkung. Tränen gelacht darüber, wie nah Gute-Laune-Kultur und Politikerlügen beieinander liegen. Kira Moll
nächste Vorstellungen: 20., 28.2. und 7.3., 20 Uhr, Schauspielhaus
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen