„Abnutzungsspiel“

Die Bayern beim 1:0-Erfolg in Karlsruhe kämpferisch wieder die Krise. Uli Hoeneß ist begeistert. Und am Dienstag kommt Luca Tonis Fiorentina

„Die haben gekämpft wie die Löwen – äh, wie die Tiger“

AUS KARLSRUHE OLIVER TRUST

Im Treppenhaus des Wildparkstadions musste sich Bayern Münchens Pressedirektor Markus Hörwick am Abend des befreienden 1:0-Siegs beim Karlsruher SC mit deutschem Arbeitsrecht beschäftigen. Hörwick macht nicht plötzlich noch nebenbei die Spielerverträge. Das Ganze lag an Manager Uli Hoeneß, der eine Art „One-touch“-Interview mit einem Mitarbeiter des „Bayern-TV“ geführt hatte. Während Trainer Jürgen Klinsmann im Training den Bayern-Stars „One-touch“-Fußball, also schnellen Fußball mit einem Kontakt pro Spieler, mit wechselndem Erfolg beizubringen versucht, beherrscht Hoeneß das „Einen Satz, jetzt bist du wieder dran“ perfekt. Frage von Bayern-TV: „Waren das wieder die Dusel-Bayern?“ Hoeneß schaut pikiert. Er schaut aufs Mikrofon auf dem „Bayern-TV“ steht. Hoeneß: „Sind Sie wirklich von Bayern-TV?“ Bayern-TV: „Ja“. Hoeneß: „Sie können sich nächste Woche einen neuen Job suchen.“ Der Aushilfs-Arbeitsrechtler Hörwick beeilte sich, zu erklären, der Mann werde nicht entlassen. Man könne das gar nicht, denn er arbeite für eine externe Produktionsfirma. Später hielt man ein Vergleichstreffen vor dem Bayern-Gericht mit dem Vorsitzenden Hoeneß in einer dunklen Ecke des Wildparks ab.

Nächster Versuch: Bayern-TV: „Ich wollte noch mal wegen vorhin …“ Hoeneß, so heißt es, hatte sich zu dem Zeitpunkt wieder beruhigt und sogar die „One-Touch“-Strategie aufgegeben, indem er zum Ausgleich mehr als einen Satz sagte: „So eine hirnverbrannte Frage stellt man nicht. Wenn das die siebte Frage gewesen wäre, hätte ich sie vielleicht beantwortet, aber nicht als erste.“ Der Abend verging ohne arbeitsrechtliche Konsequenzen, keiner wurde „freigestellt“, nicht mal Klinsmann, der Trainer. Es ging sogar ausgesprochen freizügig zu. Der Torschütze Miroslav Klose durfte zum 60. Geburtstag seiner Mutter in die Pfalz reisen und kommt erst Montag zum Abschlusstraining vor dem Champions-League-Spiel gegen den AC Florenz nach München. Auch im Hinblick auf diese Partie erklärte man die Krise für beendet. „Jetzt geht es aufwärts, davon bin ich überzeugt“, sagte Manager Hoeneß, nachdem Massimo Oddo in der 86. Minute auf Klose geflankt hatte.

Neben dem Mannschaftsbus stand derweil Bastian Schweinsteiger und war froh, über einen Sieg reden zu können. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn die Bayern verloren hätten. „Man musste doch nur in die Gesichter schauen, um zu sehen, wie groß die Erleichterung war“, so der Nationalspieler. Er lobte die Arbeit des unter Druck geratenen Klinsmann: „Ich finde jedes System gut“, sagte er. Gegen den KSC kehrte der blonde Schwabe von der Dreierkette zum „sichereren“ 4-4-2-System zurück und hatte zudem zwei „Sechser“ vor der eigenen Abwehr im Mittelfeld aufgeboten.

Dazu war Kapitän Mark van Bommel wieder dabei, den Klinsmann zuvor für zwei Spiele auf der Bank schmoren ließ. Wegen ungenügender Leistungen. Jetzt hatte man sich wieder lieb. Van Bommel rackerte, Klinsmann hatte seine erzieherische Maßnahme erfolgreich abgeschlossen, und man blickte in die Zukunft. Die reicht bis Dienstag, „wenn mit Florenz ein ganz anderer Gegner kommt“ (Schweinsteiger) und wieder gewonnen werden muss. „Wir finden uns mehr und mehr“, behauptete Mutmacher Schweinsteiger.

Vielleicht haben die Bayern in Karlsruhe auf dem Weg zum „One-touch“-Fußball wirklich etwas gelernt. Nämlich, dass man manchmal kämpfen muss. „Das haben wir getan“, sagte Schweinsteiger. „Großes Kämpferherz“, sagte er. „Die Moral stimmt“, meinte Präsident Beckenbauer. „Die haben wahnsinnig gekämpft, wie die Löwen haben die gekämpft“, sagte Hoeneß und korrigierte: „äh, wie die Tiger.“ Die „Löwen“ sind in München die von Erzrivalen 1860. Klinsmann sprach später von einem „Abnutzungsspiel“. Die Bayern versuchten sich gegen einen tapferen aber überforderten KSC aus der Krise zu kämpfen. Das gelang vorerst, für knappe zwei Tage.