berliner szenen Friedenssehnsüchte (II)

Fish & Chips

Als mir am Samstagnachmittag Unter den Linden durchgefrorene Menschen mit eingerollten Transparenten entgegenkamen, dämmerte mir, dass ich wieder einmal zu spät zu einer Demonstration gekommen war. Mein aktueller Beitrag zum Weltfrieden stand dem von 1991 in nichts nach. Wie damals hatte ich ausgeschlafen, ausgiebig gefrühstückt und war erst losgelaufen, als fast alle anderen schon wieder zu Hause weilten. Immerhin traf ich auch diesmal noch ein paar wackere Aktivisten an, die vor dem Reichstag ausgehalten hatten. Ich folgte ihnen ins „Astor“, ein englisches Restaurant in der Oranienburger Straße, wo wir uns aufwärmten und mit Fish & Chips für neue Taten stärkten.

Zu viert marschierten wir anschließend mit Tüten bewaffnet, Acrylamid und pazifistische Parolen im Munde führend, die Große Hamburger Straße entlang. Vor einer Konditorei merkten wir, dass die Tüten leer waren und wir Nachschub brauchten. Also traten wir ein und bestellten Kuchen. „Entschuldigung“, sagte die Verkäuferin, „ich möchte ja nicht indiskret sein, aber kann es sein, dass Sie nach Fisch riechen?“ „Das kann sein“, erwiderte einer von uns. „Da bin ich aber beruhigt“, sagte die Verkäuferin, „ich dachte zuerst, es sei unsere Schuld. Meine Kollegin macht nämlich gerade die Toiletten sauber und hat die Tür offen gelassen. Da kann es schon mal passieren, dass üble Gerüche in den Verkaufsraum ziehen.“ „Sie meinen also“, sagte ein anderer von uns, „wir sollten heute Abend, bevor wir ausgehen …“, „… zu Hause bleiben“, vervollständigte die Verkäuferin den Satz und überreichte uns den Streuselkuchen. „Schlagen Sie sich die Party aus dem Kopf und bleiben Sie zu Hause, dann werden Sie keine Enttäuschung erleben. Is besser so.“ JAN BRANDT