Nächste Etappe im Generika-Streit

In Genf verhandelt die WTO heute darüber, ob Entwicklungsländern der Zugang zu Generika gestattet werden soll, damitsie den Kampf gegen Epidemien auch bezahlen können. Weil der Westen blockiert, ist ein Scheitern jedoch programmiert

aus Berlin ANETT KELLER

Die Frage, an der sich die Geister heute in Genf wieder scheiden werden, lautet: Wann sind Ausnahmen vom WTO-Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum (Trips) zulässig? Das Abkommen sichert Patentinhabern zu, dass ihre Produkte oder patentierten Produktionsverfahren nicht von Dritten nachgemacht, verkauft oder importiert werden dürfen. Für humanitäre Zwecke, so vereinbarte die WTO-Ministerkonferenz in Doha im November 2001, sollten Ausnahmen gelten. Eine Einigung darüber, wann Gesundheitssschutz wichtiger ist als Patentschutz, wollte die WTO bis zum Dezember 2002 erreicht haben.

Beim Kampf gegen Epidemien geht es um Regelungen, die nicht nur die Produktion, sondern auch den Import von Generika, den kostengünstigeren Kopien von Medikamenten, ermöglichen sollen. Doch der Versuch, den Zugang von Entwicklungsländern zu Generika zu erleichtern, scheitert bis heute am Widerstand von USA, EU, Schweiz und Japan. Bereits vor einer Woche traf sich der Trips-Rat in Genf – ohne Ergebnis. Der Ratsvorsitzende Eduardo Perez Motta hatte im Dezember einen Kompromiss vorgeschlagen, der Ausnahmen von Trips „auf einen nationalen Notfall oder andere Umstände von höchster Dringlichkeit“ beschränkte. Damit wollte er auch die Position der USA aufweichen. Diese wenden ein, dass, sobald es Ausnahmen von Trips gebe, bald auch Asthma- oder Migränemittel unter Missachtung der Patentrechte billig nachproduziert würden. Motta ließ die Debatte verschieben und verwies darauf, dass „in den nächsten Tagen“ eine Einigung gefunden würde.

Doch die Fronten bleiben: Die EU will eine Regelung für Infektionskrankheiten, „die sich nach Meinung von Gesundheitsexperten in den Entwicklungsländern am schädlichsten auswirken“. Die USA wollen nur HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria vom Trips ausnehmen. Schweiz, EU, Japan und USA stoßen sich daran, dass Länder mit einem relativ hohen Pro-Kopf-Einkommen wie Südkorea oder Ungarn ebenfalls zu den Generika-Begünstigten gehören wollen.

Vertreter der Entwicklungsländer sind mit der angepeilten „Notstandslösung“ auch nicht glücklich. „Wie viele Notstände sollen wir denn für die vielen Krankheiten, mit denen wir es zu tun haben, erklären?“, fragte ein Delegationsteilnehmer in Genf. NGOs befürchten bereits jetzt, dass „der Westen“ nach verbalen, aber unkonkreten Zugeständnissen an die Entwicklungsländer nun wieder zurückrudere: „Wenn man Zwangslizenzen durch die Benennung von Krankheiten einschränkt, gerät die Erklärung von Doha zum Rohrkrepierer“, sagt Michael Frein vom Evangelischen Entwicklungsdienst. Die Debatte werde zeigen, „ob die WTO-Länder bereit sind, ihren eigenen Regeln zu folgen“.

Bislang sind sie es wohl nicht. Die Einigungschancen bleiben gering. Zumal der Trips-Rat ab morgen einen neuen Vorsitzenden hat: Vanu Gopala Menon aus Singapur. Und der hat vielleicht wieder ganz eigene Ideen.