US-Vorschriften: „Friss oder stirb“

Damit Terroristen keine Waffen per Container in die USA einschleusen, muss Bremerhaven die Sicherheitsvorkehrungen am Hafen erhöhen – „Handelshindernisse“, klagen die Spediteure. Aber Widerstand aber ist zwecklos

„Die USA verschieben die Kosten für ihre Sicherheit auf die anderen Länder“„Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht“

taz ■ „Comply or die.“ Über den Handlungsspielraum Bremerhavens macht sich Hafenkapitän Andreas Mai keine Illusionen. Wenn die Supermacht USA ihre Zollvorschriften ändert, muss auch die Seestadt, weltweit Hafen Nummer sieben beim Export in die USA, spuren. Spätestens 24 Stunden vor Abfahrt des Schiffes, so die jüngste Vorschrift aus Washington, müssen die Reedereien jetzt beim US-Zoll eine detaillierte Frachtliste einreichen. Was genau wie verpackt woher von wem wohin exportiert werden soll – die US Coast Guards wollen alles wissen. Zwar hat nach wie vor der deutsche Zoll das letzte Wort, wenn es um Freigabe oder Stopp einer Fracht geht. Ohne Placet aus den USA aber darf in Zukunft kein einziger Container mehr auf ein Schiff mit Kurs auf die Staaten – „ein Handelshindernis“, sagt Robert Völkl, Geschäftsführer des Verbands Bremer Spediteure. „Die USA verschieben die Kosten für ihre Sicherheit auf die anderen Länder“, kritisiert Hafenausschuss-Vorsitzender Martin Günthner (SPD).

Terroristen und ihre Waffen, befürchten die US-Sicherheitsexperten, könnten versuchen, per Schiffscontainer in die USA zu gelangen – gut versteckt hinter dickem Stahlblech und in den riesigen Container-Lagern nahezu unauffindbar. Weltweit haben die USA daher Prüfkommandos in alle großen Häfen entsandt. Fünf US-Zöllner sind seit Anfang des Monats in Bremerhaven stationiert. Zusammen mit 30 eigens dafür abgestellten deutschen Beamten schicken sie vom Zollamt am Container-Terminal aus die von Spediteuren und Reedern bereitgestellten Frachtdaten im Drei-Schicht-Betrieb über den Atlantik. „Die Amerikaner haben mehr Erfahrung in der Terrorbekämpfung als wir“, begründet Zoll-Sprecher Dieter Ansorge die transatlantische Amtshilfe.

In den USA werden die detaillierten Fracht-Daten mit einer Datenbank abgeglichen, in der als „verdächtig“ eingestufte Absender, Empfänger und Transporteure gespeichert sind. US-Behörden beziehungsweise ihr Computerprogramm entscheiden dann, ob der Container als high risk einzustufen ist – und vor der Verschiffung intensiv unter die Lupe genommen wird. Drei Millionen Euro kostete den Bund die Riesen-Röntgenanlage, die im April am Bremerhavener Container-Terminal ihren Betrieb aufnehmen soll. Ob die Kontrollen tatsächlich verhindern können, dass jemand per Schiff etwa eine Bombe in einen US-Hafen schmuggelt, weiß niemand genau. „Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht“, sagt Hafenkapitän Mai.

Für die Spediteure bedeuten die neuen Vorschriften indes erhebliche Umstellungen. „Bisher war wichtig, dass die Ware rechtzeitig am Hafen war“, sagt Verbands-Chef Völkl. Den Papierkram habe man zur Not erledigt, wenn das Schiff bereits unterwegs war: „Last-Minute-Anlieferung war fast Usus.“ Weil die Papiere aber erst fertig gemacht werden können, wenn der Container gepackt ist, müssten die Spediteure die Ware nun bis zu einer Woche früher beim Kunden abholen. „Nachträgliche Änderungen der Daten, die dem US-Zoll gemeldet worden sind, haben einen sofortigen Verladestopp zur Folge“, warnt der Branchenverband. Nur der kleinere Teil der Lieferanten und Spediteure, so Völkl, verfüge bereits über ein Computer-Programm, das mit dem des US-Zolls kompatibel ist. Die Folge: Ein erheblicher Aufwand, der die Preise hochtreibe. Völkl: „Exporte in die USA werden erschwert.“

Noch größere Sorge macht den Transporteuren und Händlern die Veröffentlichung bestimmter Daten durch den US-Zoll. Ohne aufwändige Vertraulichkeitsabkommen mit den Behörden jenseits des Atlantik könne so jeder Importeur die Bezugsquellen der Konkurrenz sehen, sagt Völkl.

Über die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) haben die USA bereits weitere Sicherheitsanforderungen für Häfen durchgesetzt. Spätestens Mitte 2004 darf auch in Bremerhaven das Hafengelände nur noch durch Personenschleusen betreten werden, Hafenarbeiter müssen sich ausführlichen Sicherheits-Checks unterziehen. Mehr als ein Drittel der von Bremerhaven verschifften Container geht in die USA. Als „unsicherer Hafen“ deklariert zu werden, könne sich die Hansestadt daher nicht leisten, sagt Hafenkapitän Mai: „Dann hätten wir massive wirtschaftliche Einbußen.“

Armin Simon